Die Chancen in der bAV werden enorm sein

19.02.2020

Foto: © Altstadtstudio Fotografie Mundzeck

finanzwelt: Es ist auch ein super Zugangsweg, wenn man über den Arbeitnehmer geht. Darauf zielte ja meine Frage. Rehfeldt: Genau da müssen wir hin. Das haben wir schon 2002 mit der DVAG wahnsinnig erfolgreich gemacht. Das machen einfach zu wenige Makler. Den Arbeitnehmer zum Thema Altersvorsorge beraten und einen ordentlichen Schichtenvergleich machen. Spätestens nach der Sozialversicherung und Freibetrag kommt immer bAV raus. Dann muss ich die Traute haben und mit dem Antrag zum Arbeitgeber gehen. Steinhart: Um auf Ihre Frage zu kommen: Ich behaupte, dass 90 % der Bevölkerung nicht in der Lage sind, ihre eigene Finanzplanung zu berechnen. Hanssmann: Die Makler haben einen ganz wichtigen sozialpolitischen Auftrag, nämlich: Das, was in der Schule als ‚financial education‘ versäumt wurde, nachzuholen und dem Kunden grundlegend zu erklären. Richtung GDV: Du lebst 7 Jahre länger als Du denkst. Finanzaufklärung beim Endkunden ist eine der Hauptaufgaben des Versicherungsvertriebs, angefangen beim Zinseszins-Effekt. Steinhart: Wir machen Seminare oder Webinare, wo wir das Lesen von Rentenbescheiden erklären. Denn zu allererst muss es der Berater verstehen. Sie brauchen Finanzplanungstools. Ganz einfach im Zeitalter der Digitalisierung. Zwei Eingaben: Wie alt bist du? Wie viel willst du später haben? Der Rest ist im Prinzip Schieberegler. Dann wird berechnet: Wie lange lebst du? Sterbewahrscheinlichkeit, Zinseszins, Steuer, Sozialversicherung. Rehfeldt: Komischerweise sind Rentenberater im letzten halben Jahr durch die Presse gegangen. Der erste Grund ist der: Wir haben im Moment gerade mal 831 zugelassene Rentenberater. Von denen werden in den nächsten zehn Jahren 50 % aufhören. Ein klassischer Rentenberater sieht nämlich auch aus wie einer. Wir haben unglaubliche Nachwuchsschwierigkeiten. Und zweitens ist der Großteil dieser 831 zugelassenen bei der Deutschen Rentenversicherung tätig. Die kennen sich in der deutschen Rentenversicherung top aus. Aber im Bereich Riester, bAV, in der dritten Schicht: null. Wenn bAV ein wichtiges Thema ist, müssen natürlich auch Leute da sein, die es beraten können.

finanzwelt: Wie stehen Sie zu den neuen Sozialpartnermodellen? Hanssmann: Wir haben jetzt den ersten Abschluss mit ver.di in greifbarer Nähe. Das ist ein Haustarifvertrag mit dem Produktgeber ‚Die deutsche Betriebsrente‘, ein Konsortium vom Talanx und Zurich. Das könnte der große Durchbruch sein. Wir sind sehr froh über diese Entwicklung, denn bislang war das Problem: Die Gewerkschaften taten sich schwer mit dem Thema ‚Pay and forget‘, also mit Zielrenten ohne harte, versicherungsförmige Garantien. Die Gewerkschaften wollten das Sozialpartnermodell lieber unterstützen, wenn der Arbeitgeber mithaftet und ein Mindestmaß an Garantien ausspricht. Sie hatten Bedenken, dass die Renten durch starke Schwankungen am Kapitalmarkt schwer planbar sein könnten. Diese Ansicht habe ich übrigens nie geteilt, denn eine Altersversorgung kann auch ohne Garantien sicher sein. Sicherheit kann auch mit anderen Instrumenten hergestellt werden, beispielsweise durch eine Kapitalanlage mit Glättungsmechanismen oder durch intelligente Produktgestaltung. So machen wir es bei ‚Die Deutsche Betriebsrente‘. Ich hoffe, dass 2020 die ersten größeren Abschlüsse kommen. Steinhart: Das Sozialpartnermodell wird meiner Meinung nach ein Rohrkrepierer. Sieben Gründe warum das Produkt nicht funktioniert. Erstens: Es gibt keine garantierten Renten. Zweitens: Es gibt keine garantierte Todesfallleistung. Der dritte Grund: Jegliche Finanzplanung ist nicht möglich, denn Sie haben eine Zielrente, deren Höhe variiert. Viertens: Sie haben eine fremdbestimmte Kapitalanlage und können mit dem Kunden nicht individuell besprechen, wo das Geld angelegt wird. Ethische, soziale oder nachhaltige Kriterien bleiben unberücksichtigt. Europäische oder globale Anlagen? Aber das schlimmste: Es ist das einzige Produkt am Kapitalmarkt, das keinerlei Insolvenzschutz hat. Null! Das waren die fünf Gründe aus Arbeitnehmersicht, aus Arbeitgebersicht: Zeigen Sie mir einen Arbeitgeber, der eine zusätzliche, der Höhe nach nicht kalkulierbare Zahlungsverpflichtung eingehen möchte, die auch für bereits ausgeschiedene Arbeitnehmer weitergeführt werden muss. Eine zusätzliche Belastung zu der klassischen Entgeltumwandlung mit Arbeitgeberbeteiligung. Je größer die Fluktuation, desto größer sind die wiederkehrenden Belastungen zum Sicherungsbeitrag. Dafür hat der Arbeitgeber keine Nachschusspflicht. Wenn ich die arbeitsrechtliche Zusage und eine deckungsgleiche Produktlösung zusammenlege, dann gibt es gar keine Haftung, weil praktisch das Subsidiär-Risiko vom Versicherer auf Null gefahren wird. Das sind sieben Gründe. Sie können einem Arbeitnehmer nicht die Garantien nehmen und dem Arbeitgeber ein Fragezeichen auf die Rechnung schreiben.

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