Und dann kommt der Sachverständige

20.12.2022

Hermann Hübner Vorstand VEMA Versicherungsmakler Genossenschaft eG, Konrad Hahn Geschäftsführer gvp Gesellschaft für Versicherungsprüfung mbH, Michael Stock Vertriebsleiter andsafe Aktiengesellschaft / Foto: © Finanzwelt

finanzwelt: Herr Hübner, 90 % der Gewerbekunden sind eher kleine Firmen, sagten Sie eben. Bei denen ist sicherlich die Hätte aller KMU-Tarife „von der Stange“. Die andere Hälfte dürfte sich nur mit Anpassungen oder Ausschreibungen fachgerecht policieren lassen. Ist nicht gerade letzteres sehr fehleranfällig, gerade für Anfänger? Hübner» Die Rechnung wird ja immer erst hinterher bei Schaden aufgemacht. Aus meiner Erfahrung als Makler es ist so: Wenn Du einen Schaden hast, sind die Trümpfe immer beim Versicherer. Da kommen so nacheinander die Themen auf den Tisch wie: unterversichert, Voraussetzungen für Neuwertspitze oder ist es überhaupt eine versicherte Sache? Dann muss ein Sachverständiger vom Versicherer tätig werden. Da musst Du Dich auskennen, um bei den Regulierungsgesprächen dahinter einen Haken machen zu können. Deswegen haben wir in der gewerblichen Sachversicherung unsere Klauselbögen geschaffen. Der Versicherer kann maximal 20 % kürzen, wenn es z. B grob fahrlässige Obliegenheitsverletzungen gab. Oder ich kann mir selbst einen Sachverständigen nehmen, den der Versicherer zu zahlen hat. Allein damit habe ich schon mal einen guten Versicherungsschutz für den Kunden. Unter den Anbietern, die gute Versicherungslösungen bieten, kann ich mir die Preise einholen und den für den Kunden passenden Versicherer raussuchen.

finanzwelt: Auf die Klauselbögen kommen wir noch zu sprechen. Eine gute Sache. Michael, macht Ihr mit andsafe eigentlich auch Ausschreibungen? Stock» Das ist eine absolut berechtigte Frage, weil wir im gewerblichen Bereich sehr zielgruppenorientiert sind. Was die Ausschreibungen angeht, haben wir lernen müssen, dass es sehr uneinheitlich am Markt zugeht. Das ist für einen digitalorientierten Versicherer wie uns, der auf einfache Abläufe ausgerichtet ist, natürlich schwieriger. Wir können nicht an allen Ausschreibungen teilnehmen. Daher sind selbst strukturierte Systeme, wie Thinksurance, wo du zwar eine Grundstruktur vorfindest, aber der Makler trotzdem noch die Möglichkeit hat, mittels Formularen handschriftlich Informationen zu ergänzen, nicht immer ein- fach zu bedienen. Den Vorteil im digital besser greifbaren Massengeschäft können wir bei den Ausschreibungen nicht ausspielen. Je größer und komplexer so ein Betrieb wird, desto individueller muss die Risikoanalyse durchgeführt werden. Ja, wir nehmen an Ausschreibungen teil, stoßen hier aber an unsere Grenzen.

finanzwelt: Wie ist da Ihre Erfahrung? Hahn» Wir haben zwei Standbeine, das eine sind Ausschreibungen oder mal eine Versicherungsanalyse für ein Unternehmen, und das zweite Standbein ist das Schadens- management. Letzteres hat enorm an Bedeutung zugenommen. Sagen wir, der vorhin erwähnte Sägewerksbetrieb wäre abgebrannt. Selbst wenn er gut versichert war, heißt es noch lange nicht, dass der Versicherer mit dem Koffer voller großer Euro-Scheine ankommt. Da muss man sehr genau die Spielregeln kennen. Das heißt auch, dass man die Stellschrauben an den richtigen Punkten ansetzen können muss, so dass der Unternehmer im Schadensfall nicht über den Tisch gezogen wird. Nach unseren Erfahrungen kämpfen die Versicherer in der Abteilung Großschaden mit relativ harten Bandagen. Es wird deutlich mehr als noch vor zehn Jahren bei der Abwicklung hingeschaut, um ja keinen Euro zu viel auszuzahlen.

finanzwelt: Umso wichtiger ist es, dass man ein ordentliches Versicherungsprodukt hat, oder? Hahn» Ja, das erleichtert die Schadensfallabwicklung ganz enorm. Typische Angriffsflächen sind Unterversicherung, verletzte Obliegenheiten, Beitrag zu spät überwiesen oder eine grobe Fahrlässigkeit, die im Raum steht. Dann ist der Ärger vorprogrammiert. Eine gute Beratung und eine passende Versicherungslösung ist ein guter Ausgangspunkt für eine vernünftige Schadensregulierung. Aber auch die Auswahl des Versicherers selbst ist wichtig. Auch wenn Sie sagen, ich habe ein gutes Produkt: bei der Schadensabwicklung trennt sich die Spreu vom Weizen bei den Versicherern.

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