Ist der Ruf erst ruiniert …
02.02.2015
Foto: © TSUNG-LIN WU - Fotolia.com
Personen, über die zulässig wegen eines gegen sie erhobenen Verdachtes berichtet worden war, können von dem berichtenden Presseorgan die nachträgliche Klarstellung verlangen, dass ein Verdacht nicht mehr aufrechterhalten werde, wenn dieser ausgeräumt worden ist.
„Ist der Ruf erst ruiniert …" wird mancher verzweifelt denken, der sich beim Googeln überholten Verdächtigungen ausgesetzt sieht. Er mag nach der Unschuldsvermutung rufen, die ihn doch davor bewahren sollte, vorschnell als Täter am Pranger zu stehen. Oder er wird sich fragen, wie ihm die Einstellung eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens oder der Freispruch eines Gerichtes noch helfen kann, wenn seine Reputation in der Öffentlichkeit bereits ruiniert ist.
Presseorgane liefern einen fundamentalen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung, wenn sie unter Ausnutzung ihrer verfassungsmäßigen Rechte Missstände anprangern und Aufklärung fordern. Sie müssen daher über einen Verdacht berichten dürfen, auch wenn ein endgültiger Wahrheitsbeweis noch aussteht. Freilich gilt das nicht uneingeschränkt. Denn Betroffene können sich ihrerseits auf Verfassungsrechte berufen.
Die Rechtsprechung hat daher bestimmte Grundsätze für die Zulässigkeit einer Verdachtsberichterstattung entwickelt, um einen Ausgleich im Spannungsfeld zwischen der Meinungs- und Pressefreiheit einerseits und den Persönlichkeitsrechten Betroffener andererseits zu finden. Hält sich die Presse zum Zeitpunkt der Veröffentlichung an diese Grundsätze, so ist ein Bericht über einen bestehenden Verdacht zulässig.
Aber was geschieht, wenn sich anschließend herausstellt, dass der Verdacht ungerechtfertigt war? Wenn beispielsweise ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren deswegen eingestellt oder der Betroffene von einem Gericht freigesprochen wird? Bisher galt, dass ein zulässiger Bericht über einen Verdacht nicht einmal dann im Nachhinein richtiggestellt werden musste, wenn der Verdacht ausgeräumt worden war. Nun hat der Bundesgerichtshof entschieden (Urteil vom 18. November 2014, VI ZR 76/14), dass ein Betroffener von einem Presseorgan einen klarstellenden Nachtrag verlangen kann, dass der Verdacht nach Klärung des ihm zugrundeliegenden Sachverhaltes nicht mehr aufrechterhalten werde. Der Bundesgerichtshof hält es für unzumutbar, wenn das berechtigte Interesse eines Betroffenen an seiner Rehabilitierung zum Schutze der Pressefreiheit völlig hintenangestellt wird. Dieser Nachtrag darf nicht irgendwo versteckt werden, sondern muss in vergleichbarer Aufmachung in demselben Teil wie der Verdachtsbericht veröffentlicht werden.
Für Betroffene oder Pressesprecher dürfte es sich angesichts des guten Gedächtnisses des Internets durchaus lohnen, nach alten Meldungen zu recherchieren, um gegebenenfalls einen Nachtrag zu verlangen. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass ein Presseorgan in solchen Fällen die Altmeldung in Gänze löscht, um sich weitere Diskussionen oder gar gerichtliche Auseinandersetzungen zu ersparen.
(Philipp von Mettenheim, Rechtsanwalt, PREU BOHLIG & PARTNER)