Berater müssen Profil zeigen

21.02.2025

Viele Berater – gleich welcher Couleur – scheuen sich, in ihren öffentlichen Verlautbarungen und im Dialog mit ihren Kunden eine klare Position zu beziehen; meist aus Angst, sie könnten ansonsten irgendwelche Kunden verlieren – in der Regel Kunden, die sie noch gar nicht haben.

„Ich muss mehr Profil im Markt zeigen und deshalb unter anderem die Texte auf meiner Webseite schärfen.“ Mit solchen Anliegen wenden sich Berater, Trainer, Coaches nicht selten an Marketingberater und -unterstützer. Doch kaum sind entsprechende Texte, die vom gewohnten Berater-Sprech abweichen, formuliert, rutscht den Beratern das Herz in die Hosentasche: „Wenn wir das so formulieren, dann könnten sich einige potenzielle Kunden daran stoßen und mein Image könnte hierunter leiden“, betonen sie dann oft und möchten die Texte wieder „entschärfen“ – und dies häufig, obwohl

- sie in dem atomisierten Beratungsmarkt noch kaum jemand kennt und

- sie deshalb beim Gros der avisierten Zielkunden noch gar Image haben, das zerstört werden könnte.

Viele Berater haben Angst, Ecken und Kanten zu zeigen

Fragt man dann bei den Beratern nach: Wie viel Kunden benötigen Sie denn als Einzelberater (oder KleinUnternehmer), um ausgelastet zu sein? Dann lautet ihre Antwort – abhängig von ihrem Geschäftsfeld – meist „maximal ein, zwei Dutzend“. Fragt man dann wiederum nach „Wäre es dann nicht zielführender, Ihre Webtexte so zu formulieren, dass sie genau die Kunden ansprechen, bei denen Sie aufgrund Ihrer Kompetenz, Struktur usw. die größte Auftragschance haben, statt zu versuchen, ‚everybody‘s darling‘ zu sein?“, dann lassen sich einige von ihnen zwar umstimmen, doch ungeachtet dessen bleibt die Tatsache bestehen: Viele Berater plagt eine Heidenangst, sie könnten mit ihren Verlautbarungen bei irgendwem anecken.

Dabei fordern sie in ihren Texten und Beratungen oft zum Beispiel von Führungskräften:

- „Ihr müsst Profil zeigen und authentisch sein.“

- „Ihr müsst im Bedarfsfall auch mal Klartext reden.“

- „Ihr müsst ‚kritikfähig‘ sein.“

- „Ihr müsst den Mut haben, auch mal neue, nicht ausgetretene Wege zu gehen.“

Berater bevorzugen den scheinbar sicheren Weg

Im eigenen Alltag zeigen sie ein solches Verhalten aber eher selten. Da bewegen sie sich bevorzugt auf der scheinbar sicheren Seite – sei es beim Texten von Webseiten, Verfassen von Artikeln oder allgemein in der Kommunikation mit ihren (Ziel-)Kunden.

Bei selbstständigen Beratern ist dies durchaus verständlich. Schließlich bestreiten sie mit der Beratung ihren Lebensunterhalt. Deshalb wollen sie es sich mit ihren „Geldgebern“, sprich Kunden, nicht verscherzen.

Entsprechend zögerlich sind sie denn auch, mit diesen mal wirklich Klartext zu reden, selbst wenn dies auch nach ihrem eigenen artikulierten Selbstverständnis nötig wäre – aus Angst, dann erhalte ich von dem Kunden vielleicht keinen Folgeauftrag mehr.

Bei Bestandskunden ist dies nachvollziehbar. Doch bei Noch-nicht-Kunden,

- bei denen die Tür für die Berater noch nie offen war und

- bei denen sie nicht selten mit zahlreichen Mitbewerbern um deren begehrte Aufträge konkurrieren)?

Müsste bei ihnen nicht ihr Ziel sein, die bisher verschlossene Tür – durch Aussagen, die Interesse wecken, weil sie sich vom Mainstream abheben – einen Spalt zu öffnen, so dass zumindest ein ausbaufähiger Erstkontakt entsteht?

Berater präferieren „weichgespülte“ Texte

Nicht selten verscherzen sich Berater durch ihr – aus meiner Warte – „opportunistisches Verhalten“ Chancen. Hierfür ein Beispiel: In den zurückliegenden Jahren baten mich Berater immer wieder, dafür zu sorgen, dass sie künftig eine Kolumne in einem Print- oder Onlinemedium erhalten – also, dass sie in ihnen regelmäßig einen Kommentar zu einem für die Leser der Publikation relevanten Thema veröffentlichen können. Hiervon versprachen sie sich eine Steigerung ihrer Bekanntheit und eine Schärfung ihres Profils.

In mehreren Fällen gelang es mir, mit Redaktionen eine solche Kolumne zu vereinbaren. Also lieferten wir ihnen in der Folgezeit im Ein- oder Zwei-Monatsrhythmus einen entsprechenden Text des Beraters. Doch meist nicht lange! Denn nach einigen Monaten signalisierte mir die Redaktion in der Regel: „Wir haben künftig kein Interesse mehr an Ihren Texten, denn sie sind nicht pointiert genug.“ Oder anders formuliert: Ihre Lektüre ist langweilig.

Ich konnte diese Aussage zumeist nachvollziehen und freute mich oft sogar über die „Kündigung“, denn: In der alltäglichen Zusammenarbeit mit den Beratern entpuppte sich das Schreiben der Kolumnentexte für sie meist als Krampf. Denn kaum lieferte ich ihnen nach einem entsprechenden Vorgespräch einen Kolumnentext mit ein, zwei pointierten, vom Mainstream abweichenden

Aussagen, konnte ich sicher sein, dass die Rückmeldung erfolgte: „Ich möchte nicht, dass dieser Text unter meinem Namen erscheint, denn an dieser und jener Aussage könnte sich jemand stoßen.“ Also musste ich den Text wieder entschärfen bzw. in ihn alle „Wenn‘s und aber‘s und unter der Voraussetzung, dass…“ einbauen, die zwar einen wissenschaftlichen Text auszeichnen aber keine Kolumne, die zu Diskussionen führen und entsprechende Reaktionen bei den Lesern auflösen soll.

Das heißt, wir erfüllten mit unseren weich gespülten Kolumnentexten die Erwartungen der Redakteure nicht. Deshalb sagten sie irgendwann zurecht: „Wir verzichten künftig auf Ihr Geschreibsel.“ Eine Entscheidung, die die Berater in der Regel nicht nachvollziehen konnten; ich aber sehr wohl.

Berater, zeigt bitte mehr Selbstbewusstsein und Profil

Ein ähnliches Verhalten zeigen manche Berater leider auch bei ihrer Produktentwicklung: Statt ein Themenfeld, das ihrer Kompetenz entspricht, konsequent zu besetzen, hecheln sie permanent irgendwelchen Trends hinterher, die – aus ihrer Warte – erfolgsversprechend sind.

So baten uns zum Beispiel vor drei, vier Jahren nicht wenige Beratungsunternehmen die neuen Themenfelder „Nachhaltigkeit“ und „New Work“ in ihre Webseiten zu integrieren und Namensartikel zu diesen Themen zu schreiben, da diese nach ihrer Auffassung die BoomThemen der nächsten Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte seien.

Doch inzwischen haben wir auf Wunsch der Beratungsunternehmen diese Themen wieder von ihren Webseiten entfernt, weil nach Aussagen ihrer Inhaber

- nach ihnen (nicht erst seit der Trump-Wahl) „kein Hahn mehr kräht“ und

- solche „soften Themen aus Sicht der Unternehmensleitungen eher unserem Image schaden“.

Stattdessen werden nun auf den betreffenden Seiten unter anderem irgendwelche Produkte bzw. Dienstleistungen rund um die Themen KI und Restrukturierung offeriert.

Und in ein, zwei Jahren?

Wie sich mit einem solch reaktiven Verhalten auf Trends und Moden (bzw. „Schwingungen des Zeitgeists“) der Ruf „Experte für …“ aufbauen lässt, bleibt mir ein Rätsel. Es ist meines Erachtens jedoch ein Indiz dafür, wie wenig Selbstbewusstsein und welch schwaches „Standing“ im Markt manche Berater haben, weshalb sie sich (nicht nur) bei ihrer Positionierung gleich Fähnchen im Wind drehen.

Marktkommentar von Bernhard Kuntz, Inhaber der PR- und Marketing-Agentur Die PRofilBerater, Darmstadt.