Trump könnte die europäische Integration vorantreiben

21.02.2025

Mark Dowding ist Chief Investment Officer bei BlueBay - Foto: © RBC BlueBay Asset Management

Das Drängen der USA auf ein Friedensabkommen mit Russland für die Ukraine hat in Europa in der vergangenen Woche heftige Reaktionen ausgelöst. Es spricht Bände über die militärische Bedeutungslosigkeit der Europäischen Union (EU), dass die Staatengemeinschaft bei den Gesprächen nicht dabei sein soll.

In den europäischen Hauptstädten herrschte bereits nach der Rede von Vizepräsident JD Vance bei der Münchner Sicherheitskonferenz Entrüstung über die Haltung Washingtons gegenüber der alten Welt. Es wird klar, dass sich der frühere Status quo und die bestehende Weltordnung verschoben haben und Europa dringend reagieren muss.

Dies hat den Wunsch geweckt, die Verteidigungsausgaben auf dem gesamten Kontinent deutlich zu erhöhen. Die dafür nötigen Aufwendungen sollen auf EU-Ebene finanziert werden, also außerhalb der nationalen Haushalte und bestehenden Haushaltsregeln.

Die Einigung auf höhere Ausgaben ist jedoch nur ein Teil der Herausforderung. Die europäische Verteidigungsindustrie verfügt nur über sehr begrenzte Kapazitäten. Es wird Jahre und nicht Monate dauern, bis sich die EU ohne Unterstützung der USA verteidigen kann. Kurzfristig wird die Staatengemeinschaft Geld für US-Waffen ausgeben und ihren eigenen Verteidigungssektor aufbauen müssen.

Dieser Vorstoß zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben sollte die Marktteilnehmer angesichts der Diskussionen in den vergangenen Monaten nicht überraschen. Dennoch scheint es, dass die Auswirkungen der neuen Realität in Washington erst allmählich ins Bewusstsein dringen.

Aus wirtschaftlicher Sicht bedeuten höhere Verteidigungsausgaben eine höhere Staatsverschuldung. Das wird die Anleiherenditen in den kommenden Quartalen nach oben treiben.

Wir bezweifeln jedoch, dass die Mehrausgaben im kommenden Jahr einen großen fiskalischen Multiplikator zur Ankurbelung des Wachstums darstellen werden. Das gilt insbesondere, wenn die EU zum Import der benötigten Waffen gezwungen ist.

Vor diesem Hintergrund fällt es schwer, die europäischen Wachstumsaussichten wesentlich optimistischer zu beurteilen. Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen in den kommenden sechs Monaten auf 2 Prozent senken wird. Eine weitere Lockerung könnte immer noch gerechtfertigt sein, sollten die drohenden US-Zölle den Konjunkturausblick weiter belasten.

Insgesamt sehen wir widersprüchliche Faktoren, die die Renditen in entgegengesetzte Richtungen treiben. Wir würden 10-jährige Bundesanleihen bei 2,7 Prozent langsam als günstig ansehen.

Eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben finanziert aus dem EU-Haushalt könnte man als einen Schritt in Richtung einer engeren europäischen Integration betrachten. So könnte die US-Regierung unter Präsident Donald Trump dazu beitragen, dass die Mitgliedstaaten enger zusammenrücken. Wenn dies der Fall wäre, könnte es den Spreads in der gesamten Region zugutekommen.

Es wird allerdings erwartet, dass die Wahlen in Deutschland an diesem Wochenende den Populismus auf dem Vormarsch zeigen. Es wird interessant sein zu sehen, ob die AfD mehr als 20 Prozent der Stimmen erhalten wird.

Es ist ein Klischee, dass wir in unsicheren Zeiten leben. Die geopolitischen Ereignisse stellen jedoch viele seit langem geltende Normen auf den Kopf. Man hat das Gefühl, dass dies nicht nur auf die Welt um uns herum, sondern auch auf die Finanzmärkte tiefgreifende Auswirkungen haben könnte. Unter diesem Gesichtspunkt sind wir nach wie vor relativ konservativ positioniert.

Mark Dowding, Fixed Income CIO bei RBC BlueBay Asset Management.