Sachwerte gehören ins Portfolio
16.06.2021
(v.l.n.r) Rauno Gierig, Chief Sales Officer der Verifort Capital Group GmbH, Herbert Behr, Vorstand der GOLDEN GATES AG und Malte Thies, Geschäftsführer der ONE Group GmbH / Foto: © Sabrina Henkel
finanzwelt: Durch Crowdinvesting und Tokenisierung von Realen Assets können auch Normalverdiener die Vorteile von Sachwerten genießen und trotzdem noch ausreichend diversifizieren. Eine Chance für die Branche, oder? Gierig» Alles was man tun kann, um Sachwerte in anderen Zielgruppen zugänglich zu machen, ist erst mal positiv. Ich glaube auch nicht, dass man sich damit gegenseitig Konkurrenz macht, weil so viel Liquidität und Anlagebedarf im Markt ist, dass es uns allen guttut, wenn das Thema Sachwerte positiv in die Köpfe vieler Anleger kommt. Crowdfunding hat gezeigt, dass es auch Menschen erreichen kann, denen ein einfacher, digitaler Zugang zu Sachwerten wichtig ist. Bei der Tokenisierung als Methode geht es ja mehr darum, wie das Asset verpackt und handelbar wird. Beide Aspekte sind dann quasi eine Art ‚doppelte Digitalisierung‘. Da sehe ich durchaus die Zukunft – Tokenisierung darf nicht etwas für Spezialisten sein. Am Ende ist dies eine Technologie, die im Hintergrund läuft. Der Kunde soll das Erlebnis haben, in eine Immobilie oder einen anderen Sachwert zu investieren. Ihn interessiert in der Regel nicht das Produkt-Set-up. Thies» Ich sehe bei dem Thema grundsätzlich Kundenpotenziale. Für uns als ONE GROUP ist das aber nicht das Zielklientel. Wir wollen weiter B2B-Vertrieb über die erfahrenen Finanzexperten machen. Wir suchen hierüber die passenden Kunden. Sicherlich wird unser Durchschnittskunde irgendwann auch online zeichnen. Der autarke Selbstentscheider ist Stand heute nicht unser Fokus. Wir haben bereits festverzinsliche Schuldverschreibungen emittiert. Die so genannten STOs (Security Token Offerings) sind blockchainbasiert und im Kern identisch. Aus dieser Erfahrung sehen wir noch keine großen Kostenvorteile. Gierig» Die Frage ist auch, wie man daraus ein Verkaufserlebnis macht. Man kauft so ein ‚digitales Ding‘. Aber es wird noch ein bisschen Zeit brauchen, damit ein digitales Produkt für den Kunden haptisch erlebbar wird. Da gibt es bereits gute Ansätze und darin sehe ich auch noch viel Potenzial in der Zukunft. Auf alle Fälle: Die Tokenisierung ist die Demokratisierung der Sachwertanlage. Es ist möglich, Investments ab 1 Euro dazustellen. Sicherlich machen höhere Anlagebeträge mehr Sinn, aber Tokenisierung kann einen Beitrag zur Diversifizierung von Anlegerportfolien leisten.
finanzwelt: In Schweden gibt es bereits auf Blockchain basierende Alternativen zum Notar bei Immobilienkäufen. Ist das in Deutschland überhaupt denkbar? Thies» Ich glaube, bei der laufenden Abwicklung kann wirklich noch Kosteneinsparpotenzial realisiert werden. Dies gilt aber eher auf der Asset- als auf der Produktseite. Gierig» Es gibt auch in Deutschland Modellprojekte dazu. Die Bundesnotarkammer hat zum Beispiel ein eigenes Papier zum Einsatz von Blockchain-Technologie herausgegeben und es gibt Pilotprojekte in der Justiz. Meine These: Mittelfristig wird die Technologie auch Einzug in die Grundbücher und Handelsregister halten. Blockchain-Technologie ist ein Zukunftsfeld und wird die Anbieter erfassen. Daher ist es unerlässlich, sich mit dem Thema zum Beispiel durch Pilotprojekte zu befassen. Denn es verändert nicht nur das Produkt, sondern auch die Strukturen des Anbieters für ein solches Produkt. Nehmen Sie den Vertrieb: Ein digitales Produkt ist anders zu vertreiben als ein Offline-Produkt. Der Gesetzgeber hat ja wichtige Weichenstellungen unlängst geschaffen: In Zukunft wird es elektronische Wertpapiere und auch Kryptowertpapiere geben. Darüber hinaus besteht diese Möglichkeit für Kryptofondsanteile. Dies betrifft die Fondsanbieter unmittelbar. Zur Kostenseite: Aus laufenden Projekten wissen wir, dass z. B. die Kosten für die Verwahrung von Security-Token um 70 bis 80 % günstiger ist als im Vergleich zu klassischen Wertpapierdepots. Dies ist ein Faktor. Behr» Die Frage ist auch, welchen Zeitstrahl wir uns da legen, wie lange das dauern kann. Ich bin der Meinung, dass es erst ein Umdenken in der Bevölkerung geben muss. Das sind eher die ganz jungen, die das haben wollen. Gierig» Wenn wir mal 20 Jahre zurückdenken, als der ganze Internethandel aufkam, da gab es auch noch deutliche Zweifel hinsichtlich der Bezahlung. Dann kamen PayPal und TrustPilot. Jetzt ist es für uns selbstverständlich, dass wir unsere Kreditkarten freigeben. Ich glaube, dass sich da auch in unserer Branche noch viel tun wird und man sich damit vielleicht mehr beschäftigen sollte, als sich die Branche da gerade zutraut. Oft steckt man in operativen Prozessen und im Hier und Jetzt. Die Zukunft ist aber digital, auch bei den Sachwerten.
finanzwelt: Inwieweit werden (laut Äußerungen führender Politiker und den Wahlprogrammen) bei CDU-, SPD- oder Grünen-Kanzlerschaft für unsere Branche Änderungen zu erwarten sein? Behr» Wenn die Grünen einen hohen Anteil an der nächsten Regierung haben, wird das dann leider in Richtung Honorarberatung laufen. Das wird schon schwierig, aber das heißt nicht, dass wir das nicht meistern können. Thies» Wir haben seit Jahrzehnten bewiesen, dass wir uns immer wieder auf Veränderungen einstellen können. Der offene Dialog mit den Beteiligten ist am besten. Wir als Sachwertbranche allgemein erfüllen einen volkswirtschaftlich wesentlichen Beitrag: Wir finanzieren z. B. die Erneuerbaren Energien, lindern die Wohnungsnot und stellen auch im Alter das richtige Wohneigentum zur Verfügung. Da sind auch sämtliche politischen Stoßrichtungen offen für. Deshalb sollten wir uns nicht unter Wert verkaufen. Gierig» Ich denke schon, dass es Veränderungen geben wird. Das Thema bezahlbarer Wohnraum oder das Thema ESG wird viel Druck bekommen. Ich sehe diese Entwicklungen aber positiv. Die Immobilienmanager können hier vor allem auf der Immobilienseite einen großen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Wir müssen umdenken und die Schalter umlegen, sonst verändert sich nichts. Wir haben mit unserer verabschiedeten ESG-Strategie ein deutliches Zeichen gesetzt und werden unsere nächsten Immobilienfonds im Bereich Gewerbe und HealthCare als ESG Fonds lancieren. (lvs)