Der Koalitionsvertrag – Statements aus der Immobilienwirtschaft
10.04.2025

Foto: © Bundesregierung/Kühler
Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung setzt in zentralen Bereichen der Immobilien- und Energiewirtschaft deutliche Akzente. Die geplante Verlängerung der Mietpreisbremse, der Verbleib eines eigenständigen Bauministeriums in SPD-Händen sowie die grundlegende Neuausrichtung des Gebäudeenergiegesetzes markieren wesentliche politische Leitlinien für die kommenden Jahre.
Vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Weichenstellungen haben wir Stimmen aus unserem Kundenkreis eingeholt. Die folgenden Statements spiegeln die Einschätzungen relevanter Marktakteure wider.
„Aus Sicht der Branche wäre die Rückkehr zur Förderung des KfW-55-Standards ein kluger und dringend notwendiger Schritt. Der Standard bietet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Klimaschutz und Baukosten – und kann bei verlässlicher Ausgestaltung der Förderung dazu beitragen, aktuell wirtschaftlich nicht darstellbare Projekte doch noch in die Umsetzung zu bringen. Entscheidend ist jedoch die Verlässlichkeit: Förderkulissen dürfen nicht erneut in einem politisch motivierten Windhundrennen enden. Der abrupte Stopp der früheren Förderung hat wertvolle Zeit gekostet, Projekte aus dem Tritt gebracht und den dringend benötigten Wohnungsbau massiv gebremst. Wer es mit der Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum ernst meint, muss langfristige Anreize schaffen – keine kurzatmigen Impulse.“
Nikolas Jorzick, geschäftsführender Gesellschafter, HAMBURG TEAM Gruppe.
„Der Morgen danach – mit Blick auf die Beschlüsse im Bereich Klima und Energie des gestern verabschiedeten Koalitionsvertrags ist eines klar: Um bis 2045 klimaneutral zu sein, müssen Gebäude umfassend saniert oder konsequent anders beheizt werden. Mit einem wie angekündigt technologieoffeneren sowie wirtschaftlich tragfähigen Konzept, kann dieses Ziel erreicht werden. Der Wille ist da, jetzt darf es nicht an der Umsetzung scheitern. Wir bleiben also gespannt, ob dem von Merz ausgerufenen „Aufbruchsignal“ auch tatsächlich Aufbruch folgt.“
Yama Mahasher, CEO, Westbridge Advisory.
„Der neue Koalitionsvertrag setzt wichtige Impulse für eine pragmatischere und wirkungsorientierte Klimapolitik im Gebäudesektor. Das technologieoffenere Gebäudeenergiegesetz und die CO₂-Vermeidung als zentrale Steuerungsgröße ermöglichen mehr Flexibilität für wirtschaftlich sinnvolle Dekarbonisierungsstrategien. Die geplante Senkung der Strompreise sowie der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energiequellen schaffen zusätzliche Investitionsanreize – genau das braucht unsere Branche, um Klimaschutzziele und Wirtschaftlichkeit in Einklang zu bringen.“
Patrick Lange, Geschäftsführer, agradblue | part of Westbridge.
„Die geplanten Investitionen in Bildung, Forschung und Innovation sind ein starkes Signal für die Zukunft unseres Landes. Es ist ein wichtiges und richtiges Ziel, Bildungsgerechtigkeit und Leistungsfähigkeit gleichermaßen zu fördern. Wenn die zukünftige Regierung mit Fokus daran arbeitet, das Bildungssystem fit für aktuelle und kommende Herausforderungen zu machen, ist das ein bedeutender Schritt hin zu mehr Chancengleichheit, wirtschaftlicher Stärke und gesellschaftlichem Zusammenhalt, den wir als NEXT Generation Invest sehr begrüßen. Mit unseren Investmentlösungen, die sich u.a. auf die Investition in Bildungsimmobilien mit positiver sozialer Wirkung fokussieren, fühlen wir uns in unserem Ansatz bestärkt.“
Sophie Kazmierczak, Chief Impact and Sustainability Officer, NEXT Generation Invest AG.
„Die Branche steht in den Startlöchern – aber sie braucht jetzt Klarheit, keine weiteren Verzögerungen. Der gestern vorgestellte Koalitionsvertrag enthält aus Sicht der Wohnungswirtschaft wichtige, positive Impulse: Die geplante Novellierung des Baugesetzbuchs, der Abbau bürokratischer Hürden, digitalisierte Genehmigungsverfahren und sinnvolle Lärmschutzregelungen können dazu beitragen, den dringend benötigten Wohnraum schneller und effizienter zu schaffen. Auch die geplante Förderung von Wohneigentum und Wohnraum in angespannten Märkten ist ein positives Signal – vorausgesetzt, die Maßnahmen werden schnell, unbürokratisch und wirkungsvoll umgesetzt.
Der frei finanzierte Wohnungsbau braucht jedoch nicht mehr Förderung, sondern weniger Regulierung. Heute treiben hohe Standards, eine überbordende Staatsquote und ein Flickenteppich aus über 20.000 Bauvorschriften die Kosten unnötig in die Höhe. In den Metropolregionen könnten wir deutlich günstiger als bisher bauen – wenn der politische Rahmen es zulässt.
Ein oft übersehener Aspekt: Mietregulierungen führen dazu, dass viele Menschen in zu großen Bestandswohnungen verbleiben. Der Flächenverbrauch pro Kopf steigt – das verschärft den Mangel zusätzlich. Wer über Wohnraumschaffung spricht, muss daher auch über Anreize für einen effizienteren Umgang mit Bestandsflächen sprechen.
Wenn der Neubau stockt, trifft das nicht nur Bauunternehmen, sondern auch Industrie, Handwerk und Innenstädte. Die Krise im Wohnungsbau gefährdet Wachstum, Arbeitsplätze und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wer es mit dem Bauturbo ernst meint, muss jetzt Tempo machen – bei der Entlastung, bei den Genehmigungen, bei der Vereinfachung."
Kruno Crepulja, CEO, Instone Real Estate Group SE.
„Mit der gestrigen Vorstellung des neuen Koalitionsvertrags wurden wichtige Weichen für die Immobilien-, Energie- und Bauwirtschaft gestellt. Die darin enthaltenen Vereinbarungen markieren einen politischen Kurswechsel an mehreren Stellen – mit weitreichenden Auswirkungen auf unsere Branche.
Wohnungsbau und Mietrecht: Die Verlängerung und Verschärfung der Mietpreisbremse sowie der Ausbau von Milieuschutz und Vorkaufsrechten setzen ein klares Zeichen: Der Druck auf den Wohnungsmarkt soll kurzfristig über Regulierung abgefedert werden. Gleichzeitig bleibt das eigenständige Bauministerium bestehen – ein wichtiges Signal für die notwendige Priorisierung des Themas Bauen und Wohnen. Besonders hervorzuheben ist die geplante Einführung eines Investitionsfonds für den Wohnungsbau, der in Kombination mit KfW-Garantien und privatem Kapital neue Finanzierungsspielräume eröffnen kann.
Förderlandschaft und Baupraxis: Die (zeitlich befristete) Wiederherstellung der EH55-Förderung ist ein bemerkenswerter Schritt. Sie eröffnet ein relevantes Zeitfenster für Investitionen und schafft neue Dynamik – nicht nur für Projektentwickler, sondern auch für Planer, Berater und technische Dienstleister. Gleichzeitig signalisiert der Vertrag eine deutliche Vereinfachung der KfW-Förderwelt – ein Schritt, der lange überfällig war, aber in der Umsetzung noch viele Fragen aufwirft.
Energie und Klimaziele: Mit der angekündigten Abschaffung des bisherigen Heizungsgesetzes und der Einführung eines neuen Gebäudeenergiegesetzes wird ein Neustart versucht – mit mehr Technologieoffenheit, Flexibilität und klarerem Fokus auf CO₂-Vermeidung. Die stärkere Gewichtung der Lebenszyklusanalyse (LCA) ist konsequent und notwendig. Sie wird künftig zu einem zentralen Maßstab für Förderungen und Investitionsentscheidungen – und stellt viele Marktakteure vor neue Anforderungen.
Infrastruktur, Innovation und Industrie: Auch jenseits der Immobilienwirtschaft setzt der Koalitionsvertrag Akzente: Die Reduktion der Strompreise, der beschleunigte Ausbau erneuerbarer Energien und die Stärkung von Innovationsprogrammen wie ZIM oder der Aufbau einer Agentur für Transfer und Innovation zeigen den Willen, Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz nicht länger als Gegensätze zu behandeln."
Jan Bewarder, CEO, REM Capital AG.
„Wir begrüßen zwar die Entscheidung für ein weiterhin eigenständiges Bauministerium und die angekündigte Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren. Die Maßnahmen zur Umsetzung der Kreislaufwirtschaftsstrategie – insbesondere im Bereich des zirkulären Bauens – bleiben jedoch vage und ambitionslos. Sie werden der strategischen Relevanz für den Wirtschaftsstandort Deutschland in keiner Weise gerecht. Besonders irritierend ist, wie wenig die Kreislaufwirtschaft als Chance für Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand erkannt und kommuniziert wird."
Frank Schlieder, Leiter Öffentlichkeitsarbeit & Business Development, RATISBONA Handelsimmobilien.
„Um es klar zu sagen: Es ist nicht meine Wunschkoalition – ich hätte mir mehr Fortschritt, mehr Zukunft und mehr nachhaltiges Handeln gewünscht! Für mich stehen Fragezeichen vor dem großen Thema Klimaschutz und der großen Aufgabe, klare Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sowie Zukunftschancen und Planbarkeit für die jüngere Generation und Entlastungen die Mitte der Gesellschaft zu schaffen. Nach der Abkehr vom bisherigen Gebäudeenergiegesetz muss m.E. trotzdem aktiv etwas für eine erfolgreiche Wärmewende getan werden. Jetzt aber heißt es, die Koalitionäre mit einer Portion Vertrauensvorschuss arbeiten zu lassen.“
Christoph Schaffelhuber, Geschäftsführer, MOCEDI MODERN INSURANCE Versicherungsvermittlung GmbH.
„Der Koalitionsvertrag von Union und SPD enthält wichtige Weichenstellungen für die Immobilienbranche. So sollen das Planungsrecht entschlackt, Planungs- und Genehmigungsverfahren vollständig digitalisiert und Baustandards vereinfacht werden. Zudem ist die Einführung des Gebäudetyps E vorgesehen, um künftig schneller, einfacher und kostengünstiger bauen zu können. Darüber hinaus plant die neue Regierung die KfW-Förderprogramme für Neubau und Modernisierung zu bündeln, den EH55-Standard kurzfristig wieder förderfähig zu machen und den sozialen Wohnungsbau auszuweiten. Auch steuerliche Maßnahmen zur Förderung von Eigentumsbildung, Neubau und Bestandssanierung sind in Aussicht. Gleichzeitig wird die Mietpreisbremse um vier Jahre verlängert, und eine Harmonisierung der mietrechtlichen Vorschriften wird angestrebt.
Die geplanten Maßnahmen gehen teilweise in die richtige Richtung. Ob sie allerdings zu den erhofften Investitionen und zum dringend benötigten zusätzlichen Wohnraum in den Städten führen, bleibt abzuwarten. So ist etwa fraglich, ob der Gebäudetyp E das Wohnungsdefizit spürbar lindern wird, zumal noch rechtliche Hindernisse und Vorbehalte einer schnellen Einführung im Weg stehen könnten. Zudem dürfte die Verlängerung der Mietpreisbremse eher Anleger abschrecken als neue Investitionen ankurbeln.
Gleichwohl gibt es auch positive Signale: Steuerliche Investitionsanreize und der Abbau der Bürokratie können der Branche wichtige Impulse geben. Nach den Wertkorrekturen am deutschen Immobilienmarkt in den letzten Jahren könnten sich darüber hinaus neue Opportunitäten für Investoren ergeben, die das Investitionsvolumen wieder ansteigen lassen.“
Annika Steiner, Partnerin, Wüest Partner.

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