Wer den Kunden ausbildet, verliert den Auftrag
28.05.2021
Philip Semmelroth, Experte für Unternehmenserfolg / Foto: © Dominik Pfau
Verwirrte Kunden kaufen nicht
All das basiert auf dem Denkfehler, Verkaufsgespräche würden auf der Sachebene gewonnen. So läuft der Hase jedoch nicht. Menschen unterschreiben Verträge, weil sie ihrem Gegenüber vertrauen, weil sie überzeugt von dessen Expertise sind. Sie kaufen zunächst die Person, erst dann das Produkt. Sie schütteln dem Profi wohlwollend und dankend die Hand, wenn er ihnen das Gefühl gibt, ihr Geld sei bei ihm in den allerbesten Händen.
Berater brauchen im Grunde nur ein einziges weißes Blatt Papier und einen Stift, um fette Umsätze an Land zu ziehen. Nämlich indem sie gemeinsam mit dem Interessenten folgende Hard Facts herausfinden: Wo steht der Beispielkunde Stefan Schuster heute? Was findet er gut, was nicht? Was möchte er gerne ändern? Wo möchte er hin? Und was gibt es dabei zu berücksichtigen? Abschließend klären Sie noch Zeitkomponente und Budgetvolumen, das Stefan bereitstellen kann. Mit diesem Wissen im Gepäck ist der Berater in der Lage, den Deal abzuwickeln. Mittels einfacher Skizze stellt er dabei sicher, dass Kunde und Anbieter das gleiche Verständnis der Aufgabenstellung haben.
So räumen Makler alle Unsicherheiten aus. Der Klient vertraut ihm. Und der Finanzprofi kann sich bereits in diesem ersten Gespräch den Auftrag sichern. Keine weitere Schleifen wie Zusendung und Abstimmung des Angebots sind nötig. Der Abschluss ist dann nur noch eine Formsache. Eingetütet wird der Deal also nicht über besondere Detailkenntnis des Profis, sondern über seine souveräne Performance.
Souveränität weckt Vertrauen – Vertrauen verkauft
Effektive Vertriebsprofis verschrecken Kunden somit nicht mit verwirrenden Einzelheiten, sondern verkaufen das überzeugende Ergebnis. Je größer das Risiko, Investitionsvolumen oder je langfristiger die Konsequenzen der Entscheidung, desto klarer muss der Berater hier gegensteuern: Vermitteln Sie glaubwürdig, dass Stefan nicht jedes einzelne Detail der Umsetzung kennen und verstehen muss. Das gelingt, indem der Experte souverän auftritt und verdeutlicht, dass er das große Ganze versteht und im Kundensinne lösen wird. Persönlichkeit schlägt Fachwissen, lautet die Devise. Maßgeblich ist, ob es dem Experten gelingt, Zutrauen zu wecken, nicht wie viele Diplome an der Wand hängen. Kommen beim Kunden Zweifel auf, kann es manchmal helfen, verbal auf den Tisch zu hauen: „Wissen Sie, ich habe solch einen Fall noch nie bearbeitet, aber ich kann Ihnen versichern, dass ich den besten Weg finde, um ihr Ziel zu erreichen. Also, fangen wir diesen oder nächsten Monat an?“ Wer zu viel erklärt, rutscht leicht in die Rechtfertigungsschleife und hinterlässt den Eindruck, dass er selbst nicht ganz sicher ist, welcher Lösungsweg der Beste ist. Mit diesem Vorgehen verlieren Sie Aufträge.
Ich möchte Ihnen daher einige Empfehlungen im Überblick geben:
Empfehlung 1: Signalisieren Sie immer Führungsstärke
Menschen folgen Ihnen nur dann, wenn Sie Entschlossenheit ausstrahlen. Dabei ist nicht wichtig, was Sie sagen, sondern wie Sie es sagen. Wenn Sie ein komplexes Produkt oder eine anspruchsvolle Dienstleistung verkaufen möchten, ist es nur selten notwendig, dem Kunden zahllose Details zu erläutern. Sprechen Sie einzig und allein mit ihm über das gewünschte Ergebnis, identifizieren Sie seine exakten Gründe für dieses Resultat und verdeutlichen Sie dann, dass Sie dieses Ziel zuverlässig für ihn umsetzen werden. Dafür genügt eine grobe Skizze Ihres geplanten Vorgehens.
Empfehlung 2: Rechnen Sie keine Redeanteile aus
Viele Verkaufsbücher verbreiten die Weisheit, der Mensch habe einen Mund und zwei Ohren, weil er mehr zuhören als reden sollte. Das klingt ziemlich theoretisch. Der Tipp mag funktionieren, wenn jemand Wandfarbe, Hausschuhe oder Maßanzüge an den Mann bringen und in erster Linie den Geschmack der Kundschaft treffen will. Sie als Finanzberater haben es jedoch mit erklärungsbedürftigen Angeboten zu tun. Und die müssen Sie – bei aller Vorsicht vor Detailflut – erklären!
Wenn Stefan Schuster zum Beispiel eine komplette Rentenaufstellung, eine Immobilienfinanzierung oder ein Vorsorgepaket für Arbeitsunfähigkeit ins Auge fasst, ist es relativ unsinnig, dass er im Gespräch einen hohen Redeanteil hat. Vielmehr ist er darauf angewiesen, dass der Profi das Zepter übernimmt. Mit gezielten Fragen schließt der Fachmann seine Wissenslücken, um die beste Lösung zu entwickeln und sie verständlich zu kommunizieren. Das ist nicht nur für den Laien wesentlich angenehmer, auch der Berater spart sich so jede Menge Zeit. Bei einem Chirurgen, Elektrotechniker oder IT-Experten erwarten Verletzte oder Häuslebauer ja auch, dass er sie zielgerichtet informiert und überzeugt. Jeder wäre befremdet, würde der Arzt sich zurücklehnen und erst einmal eine erschöpfende Schilderung erwarten, welche Gedanken dem Patienten zu seiner Krankheit so ganz allgemein durch den Kopf gehen.
Die beiden weiteren Tipps erhalten Sie auf Seite 3