Was man im Jahr 2035 aus dem E-Geld-Boom gelernt hat

12.07.2019

Thomas Wüst, Geschäftsführer valorvest Vermögensverwaltung / Foto: © valorvest

Schock nach Datenpanne

Im Jahr 2028 kam dann der Schock: durch eine Datenpanne drangen Hacker in die Systeme des Plattformkonzerns und damit auch in die einverleibte Organisation, die für die Infrastruktur des E- Geldes verantwortlich war, ein. Es gelang ihnen die Blockchain mittels zu einem neuronalen Netz zusammengeschalteten Quantencomputern zu kopieren und nach ihrem Belieben zu manipulieren, um so die Konten von tausenden Usern zu plündern. Die Folge: Innerhalb kürzester Zeit wollten alle ihr E-Geldkonto sichern, in dem sie es in ihre ursprüngliche Heimatwährung zurücktauschen wollten. Dieser Run führte jedoch zu einem ersten Kursverfall der E-Geld-Währungseinheit und der Gegenwert entsprach nicht mehr dem des Währungskorbs. Diesem Run wollte der Plattformkonzern begegnen, indem er vorschnell ein Tilgungsversprechen aussprach. Dabei wurde der Reservefonds in kürzester Zeit liquidiert, was jedoch durch den Panikverkauf der Anleihen bei den betroffenen Emittenten zu einem kräftigen Renditeanstieg und einem entsprechenden Kursverlust in dem Reservefonds führte. Es war wie bei einem Schneeballsystem: den Letzten beißen die Hunde – denn es war klar, dass das Volumen des Reservefonds geschwächt von Firmenpleiten und Kursrückgängen bei weitem nicht zur Bedienung sämtlicher Ansprüche ausreichte.

Erster E-Geld-Run der Weltgeschichte

Der Run auf das E-Geld verschärfte sich und das Vertrauen war komplett verloren. Das Internet brach unter der Last der Anfragen zusammen und Händler akzeptierten die E-Geld-Währungseinheit ohnehin längst nicht mehr. Parallel dazu waren dem Renditeanstieg an den Finanzmärkten die ohnehin schwache Weltkonjunktur 2028 nicht gewachsen und führte reihenweise zu Firmenpleiten und auch Staaten mussten Sparprogramme ins Leben rufen, um der erhöhten Zinslast zu trotzen. Was ursprünglich für den Plattformkonzern und die vormals unabhängige Organisation eine Gelddruckmaschine war, hatte sich zu einer globalen Geldvernichtungsmaschinerie entwickelt. Dies alles mündete 2028 in einer globalen Initiative der Staatengemeinschaft in einer Zerschlagung des Plattformkonzerns. Viel zu spät, wie es sich im Nachhinein herausstellte. Nachdem deswegen zahlreiche männliche Entscheider ihre Ämter räumen mussten, kamen ab 2030 mehr Frauen in der Weltpolitik in Machtpositionen. Insbesondere durch eine strukturelle Reform des US-Senats wurde hier eine diversere Besetzung ermöglicht, was sich als Segen für dieses wichtige Entscheidungsgremium herausstellte, was weltweit zahlreiche Nachahmer fand.

Und die Moral der Geschicht?

So fällt Franzi am Ende des Unterrichtsblocks die Beantwortung der Frage der Lehrerin, nach der Moral von der Geschicht, auch leicht: „Marktbeherrschenden Plattformkonzernen traut man nicht.“ Unter den Schülern ist der Reim „Politiker sind besonders hohl, flirten sie mit einem Oligopol, die Ordnungspolitik muss es kapieren, es möglichst frühzeitig zu regulieren.“ mittlerweile ein geflügeltes Wort. Eine Erkenntnis, für die 2028 ein hoher Preis bezahlt wurde.

Kolumne von Thomas Wüst, Geschäftsführender Gesellschafter der valorvest Vermögensverwaltung in Stuttgart