Was man im Jahr 2035 aus dem E-Geld-Boom gelernt hat

12.07.2019

Thomas Wüst, Geschäftsführer valorvest Vermögensverwaltung / Foto: © valorvest

Reservefonds – das Tor zur Hölle

Doch was passierte mit dem Kapital, das in die neue E-Geld-Währungseinheit floss? Es wurde in besagtem Reservefonds in Staatsanleihen angelegt. Zunächst wurden Staatsanleihen gekauft, die einen Durchschnittszins von zwei Prozent abwarfen. So häuften sich nach dem ersten Jahr umgerechnet fünf Milliarden US-Dollar Zinsen an. Der Zins gehörte dabei nicht etwa den E-Geld-Inhabern. Er floss unmittelbar und direkt an die unabhängige Organisation, also in die Taschen der 100 Partner. Doch der Boom ging weiter und die neue E-Geld-Währungseinheit wurde ein globaler Renner. Nach fünf Jahren flossen weltweit umgerechnet 60 Billionen US-Dollar in die neue Währungseinheit und der unabhängigen Organisation flossen daraus jährlich 1,2 Billionen Dollar Zinsen einfach so ins offene Schnäbelchen, während die Konsumenten beglückt von Bonusprogrammen freiwillig auf eine Verzinsung ihrer E-Geld-Währungseinheiten verzichteten.

Diese Entwicklung führte jedoch auf der anderen Seite zu einem Händlersterben. Derjenige der nicht mitmachte, war auf der Verliererseite. Die Folge war, dass sich die oligopolistischen Strukturen ausgehend von dem Plattformkonzern global zunehmend auch auf den Handel übertrugen. Ein geringerer Wettbewerb führte zu einer höheren Preisfestsetzungsmacht der verbliebenen Marktakteure. Was die Konsumenten ursprünglich über die Bonusprogramme gespart hatten, kam nun wie ein Bumerang zurück, nachdem der Markt mehr oder weniger aufgeteilt war.

Giftiger Köder

Und auch der Köder, mit dem der Plattformkonzern Bedenken bei der Politik ausräumte, entpuppte sich als giftig. Denn den Service von günstigen Geldtransfers konnte nur nutzen, wer auch ein Konto bei dem Plattformkonzern unterhielt - eine elektronische Geldbörse auf dem Handy reichte dafür nicht aus. So wurden die Ärmsten der Armen gezwungen, wenn sie denn am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilnehmen wollten, nicht nur auf Zinsen zu verzichten, sondern mussten diesen Service auch noch mit ihren Daten bezahlen. Dies verschaffte dem Plattformkonzern in diesen Regionen eine unglaubliche Macht.

Konkurrenz mit Staaten

Auf der Ebene des Reservefonds kam es zu ersten Engpässen. Durch die wiederbelebten Anleihekaufprogramme der Zentralbanken, um die Konjunktur in den eigenen Volkswirtschaften zu stützen, kam es zu einem Run auf verzinsliche Staatsanleihen. Deutsche Staatsanleihen gab es am Sekundärmarkt längst keine mehr. Letztendlich waren sich die Partner in dem Reservefonds einig, dass man das Geld ja nicht 1:1 nach dem Kapitalschlüssel des Währungskorbs in Staatstitel anlegen musste, sondern auf höherverzinsliche Titel ausweichen konnte. Man trug ja selbst kein Risiko, sondern profitierte ja ausschließlich von den Zinsen. Dies hatte zur Folge, dass in dem Reservefonds plötzlich auch risikobehaftete Unternehmensanleihen und Schwellenländeranleihen auftauchten. Es gab ja keine Kontrolle und die Organisation argumentierte verkürzt, indem sie darauf hinwies, dass man ja schließlich Kunden auf der ganzen Welt habe und es eben keine qualitativ hochwertigen Papiere am Markt mehr gäbe.

Wie sich erste Rückschläge ausgewirkt haben, lesen Sie auf Seite 3