Sollten Anleger die D-Mark abstoßen?
29.03.2017
Paul Donovan, , Chief Economist, Chief Investment Office, UBS Global Wealth Management / Foto: © UBS
Die Alternative zur Unterscheidung nach Höhe des umzutauschenden Bargeldbetrags ist die Unterscheidung nach Anlegertyp. Unterschiedliche Umtauschkurse für ausländische und heimische Anleger sind bei Politikern beliebt. Sie verschonen die Wähler im Land weitgehend und sind stattdessen auf Anleger ausgerichtet, die auf das Ende der Währungsunion spekuliert haben. Eine Fallstudie ist die Wiedervereinigung Deutschlands 1990. Anleger konnten nur dann bis zum Höchstbetrag von 4000 Mark im Verhältnis 1 zu 1 in D-Mark umtauschen, wenn sie in Ostdeutschland domiziliert waren. Für Ausländer galt der Umtauschkurs 1:1 nicht. Sie mussten sich unabhängig vom Betrag mit einem Verhältnis von 3 zu 1 begnügen. So wurde über die Reduzierung der Geldmenge nach der Wiedervereinigung die Inflationsgefahr verringert.
Für Ausländer könnte ein Umtauschkurs von null in D-Mark Realität werden – und zwar dann, wenn es der Bundesbank gelänge, am Ende der Währungsunion eine Situation zu konstruieren, bei der Euro-Barguthaben in Frankreich domizilierter Anleger bei einer deutschen Bank nicht in D-Mark, sondern in französische Francs umgetauscht würden. Die Absicherung durch Bargeldbestände in Deutschland ist damit vollkommen hinfällig (es stellt sich die Frage, wie es Anlegern erginge, die außerhalb der Eurozone ansässig sind und deutsches Bargeld halten).
Schließlich könnte die Bundesbank auch versuchen, die Geldmenge nach dem Zerfall der Währungsunion durch konventionelle Maßnahmen zu verringern (Abzug von Geld aus den Geldmärkten). Das Problem bei einem solchen Ansatz besteht darin, dass er aufgrund der wahrscheinlichen Geldmengenveränderungen in sehr großem Rahmen durchgeführt werden müsste. In Zeiten erheblicher wirtschaftlicher Turbulenzen könnten die damit verbundenen Kosten aus politischer Sicht nicht vertretbar sein.
Die D-Mark abstoßen
Anlegern, die der Meinung sind, dass Frankreich aus dem Euro austritt und das Risiko eines Euro-Zerfalls nicht besteht, würde deutsches Bargeld wahrscheinlich eine relative Sicherheit bieten, wenn sie in der Eurozone ansässig sind. Die Geschichte lehrt jedoch, dass durchaus das reale Risiko eines "Dominoeffekts" gegeben ist, bei dem der Euro vollständig auseinanderbricht, sollte Frankreich die Währungsunion verlassen.
Ausländische Anleger, die damit rechnen, dass der Euro abgeschafft wird, finden in deutschem Bargeld keinen sicheren Hafen. Die deutsche Regierung müsste in diesem Fall entweder mit der Inflation leben oder einen Weg finden, um die Geldmenge zu verringern. Dies könnte durch Einfrieren von Vermögenswerten oder den Umtausch solcher Vermögenswerte in D-Mark zu einem unvorteilhaften Kurs geschehen. Auch eine drakonische Zentralbankpolitik wäre theoretisch denkbar, bei der aggressiv Geld aus den Geldmärkten abgezogen wird.
Auch wenn die D-Mark nach einem theoretischen Zerfall des Euro vielleicht eine starke Währung wäre (sofern eine Inflation verhindert wird), so gibt es doch keine Gewähr, dass ausländische Anleger, die in Erwartung eines Zerfalls des Euro-Systems deutsches Bargeld halten, die erwarteten D-Mark- Beträge bekommen. Nach den Erfahrungen der Vergangenheit könnten sie einen erheblichen Teil ihrer Wertanlage verlieren. Tatsächlich wird die Wahrscheinlichkeit, dass ausländische Anleger die erhofften D-Mark-Beträge erhalten, umso geringer, je mehr Kapital nach Deutschland fließt.
Marktkommentar von Paul Donovan, Chefökonom UBS