Sollten Anleger die D-Mark abstoßen?
29.03.2017
Paul Donovan, , Chief Economist, Chief Investment Office, UBS Global Wealth Management / Foto: © UBS
Das Problem mit der Geldmenge
Beginnen wir mit einigen grundlegenden Definitionen. Der Euro ist gesetzliches Zahlungsmittel für sämtliche Waren und Dienstleistungen in der Eurozone. Die D-Mark wäre ausschließlich gesetzliches Zahlungsmittel für deutsche Waren und Dienstleistungen. Die Wirtschaft in der Eurozone (ohne Deutschland) hat fast den 2,5-fachen Umfang der deutschen Wirtschaft, und das Volumen der eng gefassten Geldmenge in der Eurozone (ohne Deutschland) ist 2,7 mal so groß wie das der deutschen eng gefassten Geldmenge. Die weit gefasste Geldmenge ist mehr als dreimal so groß wie die weit gefasste Geldmenge Deutschlands.
Was würde passieren, wenn der Euro auseinanderbräche und es in Deutschland keine Beschränkungen für den Umtausch von Euro in D-Mark gäbe? Würden 10 Prozent der Eurozonen-Geldmenge M3 (ohne Deutschland) in Erwartung der Abschaffung des Euro nach Deutschland bewegt, bevor Deutschland die Chance hätte, Kapitalverkehrskontrollen einzuführen, würde sich die Geldmenge in Deutschland nach dem Zerfall des Euro um 31 Prozent vergrößern. Würden 30 Prozent der Eurozonen- Geldmenge M3 (ohne Deutschland) nach Deutschland verlagert, würde sich die Geldmenge in Deutschland um 93 Prozent erhöhen. Geld, das bis dato als mögliches Zahlungsmittel für französische Waren oder italienische Dienstleistungen diente, könnte dann nur noch zum Kauf deutscher Waren und Dienstleistungen verwendet werden.
Der Anstieg der deutschen Geldmenge ist unter diesen Umständen aus einer völlig anderen Warte zu betrachten als die jüngste Zunahme der Schweizer Geldmenge. Das Volumen der in der Geldmenge M1 zusammengefassten Schweizer Einlagen und Sichtguthaben inländischer Anleger ist seit der Finanzkrise um rund 180 Prozent angewachsen. Hierbei handelte es sich jedoch um einen Anstieg der Nachfrage nach Schweizer Bargeld, zu deren Befriedigung sich die Schweizerische Nationalbank entschied, um Geldmenge und Geldnachfrage im Gleichgewicht zu halten. Im Zuge von Kapitalströmen im Vorfeld eines Zerfalls des Euro-Systems würde sich das Angebot an Bargeld innerhalb der Grenzen Deutschlands erhöhen, ohne das die Bundesbank Einfluss darauf nehmen könnte (es sei denn, sie würde Kapitalverkehrskontrollen einführen, die für die Einheitswährung das Aus bedeuten könnten).
Wie realistisch ist eine solche Bewegung? In Erwartung des Zusammenbruchs der Währungsunion floss zwischen 1919 und 1921 trotz entsprechender Beschränkungen fast ein Drittel der Geldmenge der Tschechoslowakei und nahezu die Hälfte der österreichischen Geldmenge aus diesen Ländern ab. Als (das als stark geltende) Ungarn die alten Kronen 1921 in seine neue Währung umtauschte, wuchs die Geldmenge auf das Dreifache ihres Volumens vom März 1919 an. Österreicher und Tschechoslowaken (wie auch andere) hatten ihr Geld nach Ungarn umgeschichtet, als das Währungssystem zerfiel. Zwischen Juni 1932 und Januar 1933 verzeichneten die von der Federal Reserve regulierten New Yorker Banken trotz Kapitalverkehrskontrollen zu einer Zeit insgesamt rückläufiger Einlagen im US-Bankensystem einen Anstieg ihrer Einlagenvolumen um 18,5 Prozent. Dies war dem Umstand geschuldet, dass Geld von den schwächeren Teilen des US-Währungssystems in das subjektiv als stärker eingeschätzte Bankensystem von New York floss. Solche Bewegungen gab es bereits vor dem Internetbanking. Eine rasche Verlagerung von 10 bis 30 Prozent der Euro- Geldmenge nach Deutschland ist denkbar.
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