Sollten Anleger die D-Mark abstoßen?

29.03.2017

Paul Donovan, , Chief Economist, Chief Investment Office, UBS Global Wealth Management / Foto: © UBS

Lösung 1: Inflation

Was könnte Deutschland angesichts einer starken Zunahme der Geldmenge innerhalb seiner Landesgrenzen tun? Eine Option wäre, nichts zu tun und sämtliche Euro in Deutschland in D-Mark umzutauschen. Diese Zunahme der Geldmenge hätte eine inflationäre Wirkung. Nach dem Ende der Währungsunion könnten bei deutschen Banken gehaltene Gelder und andere Quasi-Formen von Bargeld (die dann auf D-Mark lauten würden) nur noch zum Kauf deutscher Waren und Dienstleistungen verwendet werden. Die deutsche Geldmenge wäre zwar größer, nicht aber Deutschlands Produktionskapazitäten für Waren und Dienstleistungen.

Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte ist Inflation als Option nicht wahrscheinlich – dennoch könnte sich ein gewisses inflationäres Element mit einschleichen. In der Geldpolitik geht es darum, Geldmenge und Geldnachfrage im Gleichgewicht zu halten. In diesem Szenario würde die Geldmenge in Deutschland explosionsartig wachsen, die Nachfrage nach Geld wäre jedoch schwieriger zu bestimmen. Ausländer würden deutsches Bargeld nicht nur als Kapitalanlage nachfragen, sondern als Zahlungsmittel für Waren und Dienstleistungen, die sie mit ihrer Binnenwährung nicht kaufen können.

Als im Juli 1990 die Ostmark in D-Mark umgetauscht wurde, stieg der Inflationsdruck. Durch die Wiedervereinigung wuchs die deutsche Wirtschaft um 8,8 Prozent, die Geldmenge M1 in D-Mark jedoch um 13,4 Prozent und die Geldmenge M3 um 15 Prozent. Die Deutsche Bundesbank sah sich gezwungen, ihre Geldpolitik zu straffen, um die Folgen der Inflation im Zaum zu halten (was ihr nur teilweise gelang).

Ein über die Geldmenge entstandener Inflationsdruck war auch beim Zerfall der österreichisch-ungarischen Währungsunion (Hyperinflation in Ungarn), der Sowjetunion (Hyperinflation in Russland) und der Tschechoslowakei (erhöhter Inflationsdruck in Tschechien) festzustellen.

Lösung 2: Erzwungene Verringerung der Geldmenge

Wenn Deutschland eine durch den starken Anstieg der Geldmenge im Zuge des Euro-Zerfalls bedingte Inflation vermeiden will, wäre die Alternativlösung eine zwangsweise Veränderung der Geldmenge.

Diese kann auf verschiedene Arten realisiert werden. Deutschland könnte den Umtausch von Bargeld und Sparguthaben bis zu einem gewissen Betrag zulassen (sagen wir argumentationshalber 10 000 Euro pro Person). Beträge darüber würden auf einem Konto hinterlegt werden, für das Entnahmebeschränkungen gelten würden (Russland hatte diese Lösung 1993 gewählt, Tschechien im selben Jahr ebenfalls). Eine andere Alternative wären Zwangsanleihen an den Staat, die nicht eingelöst werden können (sehr beliebt während des Zerfalls der österreichisch-ungarischen Währungsunion 1919 bis 1921). In Umlauf befindliches Bargeld wird dabei durch Umwandlung in illiquide oder eingefrorene Vermögenswerte aus dem Kreislauf genommen.

Will der Staat keine Vermögenswerte einfrieren, könnten unterschiedliche Umtauschkurse angesetzt werden. Diesen Weg wählte Deutschland 1990. Ostmark wurden bis zu einem Betrag von 4000 Mark (6000 Mark für über 60-Jährige; 2000 Mark für unter 15-Jährige) 1 zu 1 in D-Mark umgetauscht. Für darüber liegende Summen galt ein Umtauschverhältnis von 2 Ostmark zu 1 D-Mark. Nicht als Bankeinlagen zählende Vermögenswerte, so auch Anleihen, wurden im Verhältnis 2 zu 1 umgetauscht. Wer größere Sparguthaben hatte, verlor auf diese Weise die Hälfte seines Geldes. Der deutschen Regierung ging es darum, die Inflation zu kontrollieren. Als inflationsneutraler Umtauschkurs galten zwischen 2,4 und 3,3 Ostmark pro D-Mark. Aus diesem zweistufigen Umtauschkurs (sowie anderen Veränderungen) ergab sich ein durchschnittliches Umtauschverhältnis von 1,7 Ostmark pro D-Mark. Die Proteste der Bundesbank gegen diesen ihrer Einschätzung nach zu großzügigen Umtausch wurden verworfen.

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