Nachhaltiges Investieren – ein Etikettenschwindel?
12.08.2020
Peter Jäderberg, Gründer des unternehmerischen Impact Investors Jäderberg & Cie. / Foto: © Jäderberg & Cie.
finanzwelt: Die Aktionäre können aber auf die Unternehmen Einfluss nehmen und sie zur Nachhaltigkeit drängen. Jäderberg» Das ist eine positive Entwicklung. Eine wachsende Anzahl von Großanlegern nehmen ihr aktives Stimmrecht auch zur Förderung der Nachhaltigkeit wahr, sei es in Form der ESG-, der SDG- oder eigener Kriterien. Doch die tatsächliche Wirkung ist noch größtenteils minimal, wie das Institut „Center for Sustainable Finance and Private Wealth“ der Universität Zürich in einer Meta-Studie herausgearbeitet hat.
finanzwelt: Was besagt die Studie? Jäderberg» Es handelt sich um eine quantitative und qualitative Analyse von 64 empirischen Studien. Kurz gesagt: Um die 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO bis 2030 zu erreichen, werden 2,5 Bio. US-Dollar jährlich benötigt. Zuletzt wurden etwa vier Bio. US-Dollar jährlich in Nachhaltigkeitsfonds und -ETFs investiert. Damit müsste alles gut sein – ist es aber bekanntlich nicht. Denn beim näheren Hinschauen, was mit dem investierten Kapital tatsächlich passiert, erkennt man: lediglich ein Bruchteil des angelegten Vermögens fließt tatsächlich und direkt in nachhaltige Projekte, um neue, zusätzliche Nachhaltigkeit entstehen zu lassen. Etwa 95 % aller Gelder, die in Finanzprodukte, die sich als nachhaltig bezeichnen, investiert werden, bleiben in aller Regel im Kreislauf der Börse. Nachhaltiges Investieren ist daher größtenteils ein Etikettenschwindel, soweit es suggeriert, dass sie in der Realwirtschaft Nachhaltigkeit bewirkt.
»Beim Impact Investing geht es darum, was das Investment an Nachhaltigkeit bewirkt.«
finanzwelt: Meinen Sie wirklich, dass alles Greenwashing ist? Jäderberg» Auf der Investitionsebene: Ja! Aber dies wird zumeist ignoriert. Wenn allgemein von Greenwashing gesprochen wird, dann ist die Beurteilung der Unternehmen gemeint, inwieweit sie wirklich ‚grün‘ sind oder nicht. Leider wird dabei mit uneinheitlichen und teils widersprüchlichen Kriterien gemessen. Manche Systeme achten nur auf Ausschlusskriterien, andere gehen über die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen hinaus. Und es wird dabei zumeist nicht differenziert, ob einerseits Unternehmen lediglich ESG-Kriterien bei ihrem Handeln berücksichtigen oder inwieweit andererseits die Lösungen, Dienstleistungen oder Produkte, die ein Unternehmen verkauft, Nachhaltigkeit schaffen. Daher kommt es mancherorts dazu, dass IT-Anbieter oder gar Rechtsanwaltsketten als besonders ‚grün‘ eingestuft werden. Diese Art von Greenwashing wird, auch dank des Kapitalmarktes, immer seltener und parallel dazu die Systematik einheitlicher. Doch zu behaupten, ein ETF bewirkt direkt etwas in der Realwirtschaft, korreliert eher mit Münchhausen.
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