Mehr Angst vor Inflation als vor Corona

10.09.2020

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Große wirtschaftliche Ängste

Dass die Corona-Pandemie vor allem wirtschaftliche Ängste befeuert, wird auch durch die Tatsache deutlich, dass die Angst vor einem Konjunktureinbruch mit 48 % inzwischen auf dem vierten Platz der größten Sorgen liegt, ein Anstieg um 13 Prozentpunkte und zehn Plätze gegenüber der Vorjahresumfrage. „Anlass und Ursache liegen auf der Hand. Infolge der Corona-Pandemie und des Corona-Krisenmanagements hierzulande und in nahezu allen Handelspartnerstaaten erlebt die Bundesrepublik Deutschland derzeit den stärksten Wirtschaftseinbruch ihrer Geschichte“, so Professor Dr. Manfred G. Schmidt, Politikwissenschaftler an der Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg, der seit vielen Jahren das R+V-Infocenter bei der Auswertung der Ängste-Studie berät. Auch andere wirtschaftliche Ängste werden durch die Corona-Krise befeuert: Obwohl die Inflationsrate in Deutschland seit Jahren unterhalb des 2 %-Ziels der EZB liegt und sich im Juli sogar im negativen Bereich befand, ist die Angst vor steigenden Lebenshaltungskosten erstmals nach sechs Jahren wieder unter den sieben größten Ängsten zu finden. So fürchten 51 % der Befragten, dass das Leben in Zukunft deutlich teurer sein wird. Gegenüber der Vorjahresumfrage liegt diese Angst damit um acht Prozentpunkte und ebenso viele Plätze in der Rangliste höher. Verstärkend wirkt nach Schmidts Ansicht die Gefahr erneuter Ausgangsbeschränkungen: „Die Befürchtung, dass eine zweite Corona-Infektionswelle einen weiteren, noch tieferen Wirtschaftseinbruch bringen konnte, trägt zur weit verbreiteten Unsicherheit über die Zukunft der Wirtschaft bei.“ Auch die Angst, dass die deutschen Steuerzahler für überschuldete EU-Staaten zur Kasse gebeten werden, ist deutlich gestiegen: Nachdem diese im Vorjahr mit 44 % noch den achten Platz belegte, ist es in diesem Jahr mit 49 % die drittgrößte Angst.

Angst vor Arbeitslosigkeit – aber nicht vor eigener

Wirtschaftliche Folgen der Anti-Corona-Maßnahmen sind nicht „nur“ die Entwicklung von Kennzahlen wie Börsenkursen oder Wirtschaftswachstum, sondern auch sehr konkrete Probleme für jeden einzelnen: So besteht bspw. für die Veranstaltungsbranche nach wie vor ein faktisches Berufsverbot und viele andere Wirtschaftsbereiche sind noch enorm durch die gesamte Krise belastet. Die Folge: Es werden weniger Arbeitskräfte gebraucht. Entsprechend ist die Angst vor Arbeitslosigkeit wieder deutlich gewachsen: Nachdem diese in den wirtschaftlich gut laufenden Jahren zuletzt zu den geringsten Sorgen zählte, fürchten in diesem Jahr 40 % der Umfrageteilnehmer, dass hierzulande die Arbeitslosenzahlen steigen werden, zwölf Prozentpunkte mehr als noch bei der Vorjahresumfrage. Eine realistische Einschätzung, so Professor Schmidt: „Die Befragten registrieren aufmerksam, dass die Arbeitslosenquote in diesem Jahr erstmals seit 2013 wieder gestiegen ist – trotz der milliardenschweren Liquiditatshilfen der Bundesregierung für Unternehmen. Und die Befragten wissen, dass in Deutschland – anders als in vielen anderen Staaten – die Kurzarbeit einen stärkeren Anstieg der Arbeitslosenzahlen verhindert hat.“ Erstaunlich: Angst um den eigenen Arbeitsplatz hat nur ein Viertel der befragten Berufstätigen. "Diese Spreizung überrascht auf den ersten Blick. Aber das Rätsel lässt sich lösen“, erläutert Schmidt. „Von einer gesamtwirtschaftlich zunehmenden Arbeitslosenquote sind nicht alle Befragten gleichermaßen betroffen. Entlassungen treffen derzeit überwiegend Arbeitnehmer, die in durch die Corona-Krise stark angeschlagenen Branchen arbeiten, wie beispielsweise bei Reiseveranstaltern, in Kulturbetrieben oder in der Gastronomie.“

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