Konjunkturschwäche „Made in Germany“?
18.12.2019
Dr. Klaus Bauknecht / Foto: © IKB Deutsche Industriebank AG
Wie stellt sich nun der Ausblick für die Jahre 2020 und 2021 dar? Während 2019 von negativen Überraschungen geprägt war, könnte 2020 das Pendel durchaus in die andere Richtung schwingen – vor allem wenn der Brexit koordiniert und somit mit wenig disruptiven Impulsen verläuft. Das Risiko für die deutsche Wirtschaft liegt sicherlich nicht in der EZB-Zinspolitik, die die deutsche Wirtschaft durch die Entwicklung des Euro-Devisenkurs eher stimuliert. Weiterhin sind Erwartungen bevorstehender Krisen und Vergleiche mit 2008 unangebracht bzw. fundamental ungerechtfertigt. Auch wenn 2020 mit vielen Unsicherheiten startet, eins scheint mehr und mehr ersichtlich: Den konjunkturellen Tiefpunkt hat Deutschland durchschritten:
- Die IKB erwartete ein kalenderbereinigtes BIP-Wachstum in Deutschland von 0,8 % in 2020 und von 1,6 % im Jahr 2021. Diese Prognosen liegen am oberen Ende des Prognosespektrums. Sie beruhen auf der Erwartung nachlassender globaler Risiken und einer konjunkturzyklischen Erholung der Weltwirtschaft. Getrieben wird dies durch ein globales Wirtschaftswachstum, das sich in Folge einer robusten Konjunkturentwicklung vor allem in den USA und China als stabil erweist. Ein BIP-Wachstum von 0,8 % in Deutschland dürfte allerdings nicht ausreichen, einen Anstieg der Arbeitslosenquote in Deutschland zu verhindern.
- Die deutsche Industrie steht kurz vor der Bodenbildung, und es ist von einer Erholung im Verlauf des Jahres 2020 auszugehen. Um im nächsten Jahr ein Produktionswachstum der Industrie von ca. 1 % zu erreichen, bedarf es keiner zusätzlichen positiven Impulse oder Annahmen.
Fazit: Volkswirte identifizieren aktuell viele Gründe für die schwache Konjunkturentwicklung der deutschen Wirtschaft und insbesondere der deutschen Industrie. Dazu gehören vor allem der Brexit und Trumps Handelspolitik.
Doch es gibt auch entscheidende lokale Ursachen. Hierzu gehören die steigende Steuerlast und das schrumpfende Gewinnpotenzial am Produktionsstandort Deutschland aufgrund des zunehmenden Arbeitnehmeranteils am Volkseinkommen, der inzwischen den zweithöchsten Wert seit 27 Jahren erreicht hat. Diese Entwicklung hat klar negative Auswirkungen auf das BIP-Wachstum und belastet die Investitionsattraktivität des Standortes Deutschland. Eine Senkung des Arbeitnehmeranteils durch einen Beschäftigungsabbau scheint immer unausweichlicher. Ein größeres Angebot an ausländischen Fachkräften würde dagegen nur im Falle einer moderaten Lohnentwicklung bzw. eines anziehenden Produktivitätswachstums helfen. Ebenfalls wäre eine Senkung der Steuerlast hilfreicher als ein ausgeglichener Staatshaushalt.
Dennoch erwartet die IKB auf Grundlage von globalen sowie lokalen Konjunktur- und Nachfragedynamiken im Jahr 2020 für Deutschland ein kalenderbereinigtes BIP-Wachstum von 0,8 % und ein Produktionswachstum für das verarbeitende Gewerbe von mindestens 1 %.
Dr. Klaus Bauknecht Chefvolkswirt IKB Deutsche Industriebank AG