Wer nicht mitkommt, scheidet eben aus!

14.04.2016

Nikolas Becker

Soemmer: Der Kunde kann mit den verschiedenen Bezeichnungen doch gar nichts anfangen. Es ist zwar viel reguliert worden, aber es ist die Chance verpasst worden, ein Berufsbild zu schaffen, was für jedermann verständlich und plausibel ist. Dr. Maasjost: Der ganz normale Berater macht doch einen sehr guten Job. Doch dann kommen die paar wenigen schwarzen Schafe, die ein schlechtes Bild auf die Branche werfen. Und der Kunde kann die einen nicht von den anderen unterscheiden. Becker: Aber der Kunde will schon für jeden Bereich einen Spezialisten. Die sollten natürlich am besten alle unter einem Dach sein. Natürlich muss klar geregelt sein, dass jeder seinen fairen Anteil erhält. finanzwelt: Es gibt Modelle, bei denen der Makler nach Bedarfsanalyse den Kunden entweder an den Spezialisten verweist oder zusammen mit diesem die Beratung weiterführt. Wie der Hausarzt, der an den Facharzt verweist. Ist dieses Modell praktikabel? Dr. Maasjost: Das Problem dabei ist, dass der Berater glaubt, der Kunde sei sein Besitz. Leider teilen viele Berater deswegen nicht gerne, auch wenn es vielleicht zum Wohle des Kunden wäre. Soemmer: Ich kenne einen Fall, bei dem ein Berater so lange mit den Kollegen über Teilungssätze verhandelt hatte, bis der Deal gestorben war. Idealerweise sollte aber erst eine ganzheitliche Beratung durchgeführt werden und dann nach der Bedarfsanalyse der Spezialist übernehmen. finanzwelt: Und wie sähe dann das Vergütungsmodell aus? Soemmer: Ganz einfach: wie bei einer Anwaltssozietät. Alles kommt in die große Kasse und wird dann hinterher geteilt. Och: Man darf aber auch nicht vergessen, dass viele Berater verbrannte Kinder sind. Die wurden in der Vergangenheit mehrfach von sogenannten Partnern über den Tisch gezogen. Dass die vorsichtig sind, ist doch gut zu verstehen. Und so gut der Sozietätsgedanke auch ist – wie bildet man das in den strukturschwachen, ländlichen Bereichen ab? finanzwelt: Versteht der Kunde überhaupt den Unterschied zwischen Vertreter und Vermittler? Als Vermittler oder Makler handelt man immer im Interesse des Kunden. Sitzt der Vertreter im Schadensfall, den der Versicherer vielleicht nicht unbedingt begleichen möchte, nicht als Diener zweier Herren zwischen den Stühlen? Becker: Da kann der Vertreter auch gar nichts ausrichten. Der schließt ab, der Kunde ist bei seiner Gesellschaft und das Thema ist erledigt. Och: Wir können vom Kunden nicht erwarten, dass er diese Unterschiede sieht oder versteht. Er sieht nur: Der macht in Versicherungen! Wie er das macht und mit welcher Zulassung, erschließt sich ihm doch gar nicht. In der Praxis merkt er es dann – zum Beispiel, wenn der Vermittler sich im Schadensfall für den Kunden einsetzt. finanzwelt: Kommen wir zur Digitalisierung des Marktes, sei es Fluch oder Segen. Was muss der Makler tun, um mit Vergleichsportalen, Direktanbietern und FinTech-Apps gegenhalten zu können? Becker: Da musst Du als Makler den Weg mitgehen. Such Dir Partner aus, die zu Dir passen. Wenn man sieht, wie viele Maklermandate von App-Anbietern in den letzten Monaten eingesammelt wurden, machen die ja scheinbar nicht alles falsch! Und wenn ich mich diesem Weg vollkommen verschließe, verliere ich Kunden. Die 50+ Kollegen, die alles mit Papier machen, sterben irgendwann aus. Soemmer: Richtig, die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Jeder Versicherer hat Apps und damit kann man einfache Produkte auch schnell abschließen. Wenn der Makler sich darauf einstellt und die nicht so beratungsintensiven Produkte so vermittelt, ist das doch nur von Vorteil. Wir haben 40 Kunden mit Bestandsübertragungen an App-Anbieter verloren. Von diesen 40 wussten 38 nicht, dass sie einen Maklervertrag unterschrieben haben. Denen war nicht klar, dass ihrem Berater, der sie zuvor gut beraten hatte, die Bestandsprovision weggenommen wird. Ziegler: Ich kann mir nicht vorstellen, dass es im Sinne der Gemeinschaft ist, wenn welche Maklervollmachten und Provisionen abgreifen, aber dafür null Leistung bieten. Dr. Maasjost: Mit der Behauptung, die bringen keine Leistung, wäre ich vorsichtig. Die sind gut finanziert, die sind hochtechnologisch und nicht auf den Kopf gefallen. Es gibt Kunden, die wollen eben auf diesem Wege beraten werden. Wer hier nicht stattfindet, findet vielleicht in ein paar Jahren gar nicht mehr statt. CHECK 24 versichert zum Beispiel über eine Million Autos. Die sind jetzt nicht mehr in unserem Markt. finanzwelt: Bietet dem Makler eine Vertriebs- und Vergleichssoftware, neben neuen Umsatz, auch ein Vorteil in Haftungsfragen? Und wenn ja, nutzen Makler diese auch so? Och: Die völlige Enthaftung mit Technik ist bei einer ganzheitlichen Beratung schwierig. Bei AIFs, also den ehemaligen geschlossenen Fonds, gibt es keine Software, die dem Makler hier helfen kann. Die vermeintliche Sicherheit, die mir eine Software im Versicherungsgeschäft bietet, ist trügerisch, weil ich eventuell elementare Dinge gar nicht erfragt habe. Soemmer: Jede Software die ich kenne, ist produktbezogen. Wenn der Berater da die Bedarfsanalyse nicht vernünftig aufbaut, dann hängt er immer in der Haftung. finanzwelt: Und wer kontrolliert die Produkte? Die BaFin sieht sich dazu nicht imstande. Und eine Stiftung wie Finanztest nimmt trotz Unterstützung durch Steuergelder diese Funktion nicht qualifiziert wahr.