Warum das Streichen der Staatschulden (nicht) funktioniert

21.04.2021

Rui Soares, Investment Professional bei der FAM Frankfurt Asset Management AG in Frankfurt am Main / Foto: © FAM

Eine Normalisierung der Geldpolitik wäre daher nur mit einem umfangreichen Schuldenerlass über die gesamte Breite der Schuldner vorstellbar: Staat, private Haushalte und Unternehmen. Kein Problem, könnte man jetzt denken: Die Zentralbanken – angefangen bei der EZB – müssten eben nur mehr Unternehmensanleihen (Corporate Bonds) und mehr Hypothekenbesicherte Anleihen (Pfandbriefe, Mortgage Backed Securities) kaufen. Erst danach käme der Schuldenschnitt, der dann die gesamte Breite der Schuldner erfassen würde. Das klingt zwar etwas zeitaufwendiger und von der Umsetzung her komplexer, scheint jedoch immer noch machbar zu sein.

Umverteilungseffekte als Showstopper

Das ist es aber leider nicht. Denn wie könnte die EZB es rechtfertigen, die Unternehmensanleihen der hochverschuldeten Firma A wegzustreichen, die Schulden ihres Wettbewerbers, der Firma B, die nur Bankdarlehen und keine ausstehenden Anleihen besitzt, aber vollkommen unberührt zu lassen? Ganz zu schweigen von den negativen Auswirkung auf die Wettbewerbsposition von Firma C, die schuldenfrei ist.

Dieselbe Argumentation kann auf die Umverteilungseffekte von Schuldenschnitten bei privaten Hypotheken angewendet werden. Warum sollten Bürger, die Hypotheken aufgenommen und mit diesen Immobilienkäufe finanziert haben, und damit in der Regel aus höheren Einkommensschichten stammen, gegenüber ihren Pendants ohne Immobilienbesitz massiv bevorzugt werden?

Dies gilt umso mehr, als hier ein nicht demokratisch gewählter Entscheidungsträger in die Wettbewerbsposition von Unternehmen und die Vermögens(um)verteilung zwischen Privatpersonen massiv eingreifen würde, ein unseres Erachtens spektakulär phantasievolles Szenario. Die Unabhängigkeit der Zentralbanken ist seit der Finanzkrise sehr stark unter Beschuss geraten. EZB, Fed und Co. können und werden nichts unternehmen, um ihre Position weiter zu untergraben. Der große Schuldenschnitt ist daher extrem unwahrscheinlich, zu einem „Zurückdrehen der Uhr“ wird es nicht kommen. Expansive Geldpolitik, QE und Niedrigzinspolitik werden in absehbarer Zeit bestehen bleiben. Man könnte es auch QE-Infinity nennen.

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