Schneeballsysteme verstehen und meiden
18.12.2024
Christoph Walker, Rechtsanwalt, TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH / Foto: © TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Obwohl Schneeballsysteme kein neues Phänomen darstellen, lässt sich in den vergangenen Jahren eine Zunahme solcher Systeme verzeichnen. Diese Entwicklung wird maßgeblich durch die Nutzung digitaler Plattformen und sozialer Medien begünstigt. Betreiber dieser Systeme locken potenzielle Anleger oft mit verführerischen Versprechungen schneller, lukrativer und risikofreier Anlagemöglichkeiten. In der Realität erweisen sich diese Versprechen jedoch nicht als haltbar und führen häufig zu erheblichen finanziellen Verlusten für Anleger.
Was sind Schneeballsysteme?
Sogenannte Schneeballsysteme, auch als Pyramidensysteme bekannt, sind eine in Deutschland verbotene Geschäftspraxis. Dabei werden die den Anlegern versprochenen Renditen nicht aus dem tatsächlichen Gewinn des angeblichen Anlageobjekts, sondern aus den „Einlagen“ weiterer Investoren finanziert. Dies erfordert, dass immer neue anlagewillige Anleger akquiriert werden müssen. Nur mit dem Zustrom stetig neuer Anlegergelder können Auszahlungen an bisherige Anleger getätigt werden. Der metaphorische Schneeball muss demnach immer weiterwachsen, um das „System“ am Leben zu halten. Bleiben Zahlungsströme durch neue Anleger aus oder wird nicht mehr in genügendem Maße Geld in das System investiert, können Auszahlungen nicht mehr erfolgen und werden eingestellt. Dies führt meist früher oder später für den Anleger zu einem Totalverlust seiner investierten Summe. Ebenfalls hierarchisch aufgebaut, aber nicht verboten, sind sogenannte Multi-Level-Marketing-Systeme (MLM-System). Diese unterscheiden sich von einem Schneeballsystem unter anderem auch dadurch, dass sie einen tatsächlichen Geschäftsbetrieb aufweisen. Mit anderen Worten ist ein solches System nicht ausschließlich auf die Akquise von neuen Anlegern angewiesen. MLM-Systeme generieren durch den Verkauf von Dienstleistungen oder tatsächlichen Produkten echte Gewinne. Da sich das Schneeballsystem jedoch allein aus den Einlagen der Investoren finanziert, ohne ein gewinnbringendes Geschäft zu führen, ist dieses Geschäftsmodell nicht zukunftsfähig.
Risiken für Anleger
Die Beteiligung an einem Schneeballsystem birgt mehrere Risiken für die Anleger. Zum einen besteht das erheblich gesteigerte Risiko, das gesamte investierte Vermögen zu verlieren. Insbesondere sind Anleger, die zuletzt in das System investiert haben und daher ganz unten in der Hierarchie stehen, diesem Risiko ausgesetzt. Auch Anleger, die weiter oben in der Hierarchie stehen, sind nicht vor einem (Total-)Verlustrisiko geschützt. Wird über das Vermögen des Betreibers ein Insolvenzverfahren eröffnet, besteht die zusätzliche Gefahr für Anleger, dass der Insolvenzverwalter die bereits erfolgte Auszahlung der Beträge anficht und diese zurückfordert, um sie der Insolvenzmasse zuzuführen.
Identifikation von Schneeballsystemen
Häufig ist es für Anleger zunächst kaum erkennbar, ob einem Anlageprodukt ein Schneeballsystem zugrunde liegt. Dies liegt daran, dass die tatsächliche wirtschaftliche Aktivität des Betreibers einer anspruchsvollen Prüfung bedarf. Darüber hinaus sind besondere Kenntnisse und Erfahrung auf diesem Gebiet unerlässlich. Um sich dennoch allgemein vor diesen Systemen schützen zu können, ist es hilfreich, das Anlageobjekt auf bestimmte Merkmale hin zu untersuchen, die charakteristisch für Schneeballsysteme sind.
Ein erster Hinweis sind hohe Renditeversprechen, die scheinbar mit minimalem Risiko einhergehen. Diese Versprechen stehen oft im Widerspruch zu den tatsächlichen Marktgegebenheiten und sollen zukünftige Anleger in falscher Sicherheit wiegen. Darüber hinaus ist die (konkrete) Geschäftstätigkeit für Anleger regelmäßig schwer nachzuvollziehen. Aufgrund fehlender Dienstleistungen oder Herstellung von Produkten bleibt es häufig unklar, durch welche Methoden der versprochene Gewinn genau erwirtschaftet wird. Bei einer Analyse der Geschäftstätigkeit ist vor allem auf aktuelle wirtschaftliche Handlungen abzustellen, denn auch bereits lang bestehende, einst legitime Anlagemodelle können in ein Schneeballsystem umschlagen (so z. B. im Fall der Container-Gesellschaft „P&R“). Statt auf einem zukunftsfähigen Geschäftsbetrieb liegt der Fokus der Betreiber oft auf der Akquise neuer Investoren. So wird auf potenzielle Investoren, z. B. durch den Verweis auf angeblich begrenzte Chancen, ein erheblicher zeitlicher Druck ausgeübt. Diese Dringlichkeitstaktiken haben zum Ziel, Interessenten zu einer übereilten Investitionsentscheidung zu verleiten. Hinreichend Zeit zur Prüfung des Angebotes bleibt regelmäßig nicht. Selbstverständlich sind dies keine zwingenden oder abschließenden Anzeichen für das Vorliegen eines Schneeballsystems. Vor allem in Kombination bieten diese Anzeichen aber ein Grund zur Vorsicht.