Pauschale Schweigepflichtentbindung in der Berufsunfähigkeitsversicherung
25.01.2024

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
Der Versicherte sei, was zwischen den Parteien mittlerweile unstreitig ist, bedingungsgemäß berufsunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen gewesen. Dies wurde gutachterlich festgestellt. Der Leistungsanspruch des Versicherten sei demnach zu diesem Zeitpunkt ohne weiteres fällig gewesen, da ein sachgerecht prüfender Versicherer nach Maßgabe von § 14 Abs. 1 VVG seine notwendigen Erhebungen bereits vorprozessual abgeschlossen habe. Danach werde der Anspruch auf Geldleistungen fällig, wenn der Versicherer die zur Feststellung des Versicherungsfalls und des Umfangs der Leistungen notwendigen Erhebungen getroffen hat.
Notwendige Erhebungen seien alle Maßnahmen, die ein durchschnittlich sorgfältiger Versicherer des entsprechenden Versicherungszweiges anstellen muss, um das Bestehen und den Umfang seiner Leistungspflicht abschließend zu ermitteln. Maßgeblich sei allerdings weder, ob der Versicherer subjektiv weiteren Aufklärungsbedarf sah noch, ob er objektiv tatsächlich vorlag. Vielmehr komme es darauf an, ob eine solche Notwendigkeit bei einer ex-ante-Betrachtung aus der Sicht verständiger Vertragsparteien vertretbar erscheinen durfte, meint das LG. Einem Versicherer stehe im Anschluss an seine Recherchen auch eine – kurze, regelmäßig auf zwei bis maximal drei Wochen zu bemessende – Überlegungs- und Entscheidungsfrist zu.
Pauschale Schweigepflichtentbindung ist rechtswidrig!
Weiter führte die Kammer aus, dass Fälligkeit in diesem Fall bereits ohne weiteres mit der Übersendung des Leistungsantragsformulars des Versicherers eingetreten sei. Denn die dort verlangte Einwilligung in die Datenerhebung sei rechtswidrig.
Verlange der Versicherer zu viel, gebe er dem Versicherten nicht die Möglichkeit der Selbstbeschaffung. Sorgt er durch seine Hinweise nicht für ausreichend Transparenz, werde die Verweigerung der Mitwirkung regelmäßig der Fälligkeit der Leistungen nicht entgegenstehen können. Das gelte vor allem dann, wenn sich der Versicherte weigert, eine vom Versicherer formulierte, zu weit gefasste Schweigepflichtentbindung abzugeben. Letztlich obliege es nicht dem Versicherten, eine solche so zu modifizieren, dass sie seiner Mitwirkungspflicht entspricht, meint das LG Berlin. Da das weitergehende, vom Versicherungsnehmer nicht erfüllte Mitwirkungsverlangen der Beklagten rechtswidrig gewesen sei, sei danach hier ohne weiteres eine Fälligkeit eingetreten.
Das Bundesverfassungsgericht einem Fall ausgeführt, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung es gebiete dafür Sorge zu tragen, dass ein informationeller Selbstschutz für Einzelne tatsächlich möglich ist. Das Gericht regte in dem Verfahren Pflichten an, die sicherstellen, dass Versicherte und Versicherungen im Dialog entwickeln, welche Daten zur Leistungsprüfung erforderlich sind. Denn die durch vorformulierte Einzelermächtigung vorgesehene Schweigepflichtentbindung würde es der Versicherung ermöglichen, auch über das für die Abwicklung des Versicherungsfalls erforderliche Maß hinaus in weitem Umfang sensible Informationen über seine Versicherungsnehmer einzuholen. Das betreffe Belange der Versicherten erheblich, weil sich die Daten auf detaillierte Angaben zu ihrer Gesundheit und den ärztlichen Behandlungen, also auf Angaben höchstpersönlicher Natur beziehen. Das sei daher nicht zulässig (BVerfG, Beschluss v. 17.07.2013 – 1 BvR 3167/08).

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