Europas Aufrüstung und US-Zölle beeinflussen Anleiherenditen nur leicht

23.04.2025

Daniel Loughney und Marco Meijer. Foto: © Mediolanum

Der Markt ist bei den Anleiherenditen übermäßig pessimistisch. In den USA hat Präsident Trump keinen fiskalischen Spielraum und die Zölle könnten sogar inflationshemmend wirken, weshalb sich der Druck auf US-Staatsanleihen in Grenzen hält. In Europa hat die Europäische Zentralbank (EZB) dagegen großen Spielraum und wird die erhöhte Schuldenaufnahme ausgleichen können, die für die Wiederaufrüstung der Region geplant ist.

Ende 2024 haben die politischen Ereignisse in den Vereinigten Staaten den Anleihenmarkt in Aufruhr versetzt: Die Auswirkungen von Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus liefen den Wirtschaftsprognosen zuwider und führten zu Volatilität und einem Anstieg der Anleiherenditen. Obwohl die Volatilität weiterhin erhöht ist, bleiben die Renditen nahe ihren Höchstständen der letzten 15 Jahre –mit 4,4 Prozent für US-Staatsanleihen. Anleger befürchten weiterhin, dass die Steuersenkungen zu einer höheren Anleiheemission führen und dass die Inflation aufgrund der angekündigten Zölle steigen wird. Wir teilen diese Sorgen nicht. Unserer Meinung nach wird die durch Trump ausgelöste Unsicherheit die wirtschaftliche Aktivität belasten und die US-Wirtschaft in Richtung einer Rezession ziehen – ein Szenario, das letztlich eher disinflationäre Tendenzen begünstigen dürfte.

Die am 2. April – dem selbsternannten „Liberation Day“ – angekündigten Zölle haben die Unsicherheit nicht beseitigt, und auch wenn die kürzlich verkündete Verschiebung für eine gewisse Erleichterung sorgte, bleibt die Situation unklar. Die Frage ist, ob die Vergeltungsmaßnahmen der anderen Länder zu einer weiteren Eskalation des globalen Handelskriegs führen oder es noch Verhandlungsspielraum gibt. Unabhängig davon sind jedoch kurzfristige Auswirkungen auf die Inflation und ein erheblicher Wachstumsschock wahrscheinlich. Wir gehen davon aus, dass ein schwächeres US-Wachstum und eine potenzielle Rezession in der zweiten Jahreshälfte 2025 die Fed zu einer deutlichen geldpolitischen Lockerung zwingen werden. Der Markt geht derzeit von einer Lockerung um einen Prozentpunkt bis zum Jahresende aus, was wir im Großen und Ganzen für angemessen halten. In diesem Szenario dürften die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen sinken, in Richtung unseres Ziels von 3,5 Prozent.

Trumps Handlungsspielraum ist begrenzt

Die Reaktionen des Marktes auf diese unsicheren Aussichten sind allerdings zu pessimistisch. Zum einen kann Trump weder erneut die Steuern senken noch die aktuellen Steuersenkungen endlos verlängern, da die dadurch entstehenden Kosten für die Schuldentilgung eine gefährliche Belastung für die US-Wirtschaft darstellen. Von September 2023 bis September 2024 gab das US-Finanzministerium 882 Milliarden US-Dollar für Nettozinszahlungen aus. Das entspricht 3,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) – die höchste Quote seit 1996 – und übersteigt sogar erstmals die Militärausgaben.

Zweitens sind die inflationären Auswirkungen von Zöllen alles andere als eindeutig. Die gängige Meinung ist, dass Zölle die Preise in die Höhe treiben, weil sie die Importkosten erhöhen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sie sich letztlich inflationshemmend auswirken, denn sie ersticken das Wachstum und drücken die Preise durch sogenannte „Beggar-thy-Neighbour“-Effekte, da die Maximierung des nationalen Handelsbilanzüberschusses und damit der inländischen Währungsreserven zu gesamtwirtschaftlichen Wohlstandseinbußen in allen Ländern führt.

Darüber hinaus verlangsamt sich das Wachstum bereits in allen großen Volkswirtschaften. Die chinesische Wirtschaft wächst so langsam wie seit Jahrzehnten nicht mehr und verliert weiter an Schwung – zusätzliche Zölle könnten diese Dynamik noch weiter verschärfen. Deutschlands Wirtschaft wird durch die Verteidigungs- und Infrastrukturausgaben einen dringend benötigten Schub erhalten, aber es wird wahrscheinlich mindestens ein Jahr dauern, bis wir die Auswirkungen tatsächlich spüren.

Deshalb halten wir die Sorgen des Anleihemarktes für übertrieben. Im Gegenteil: Das hohe Renditeniveau erscheint angesichts der schwächelnden chinesischen Wirtschaft, der Rezession in Kerneuropa und der Zinssenkungen der wichtigsten Zentralbanken im historischen Kontext sogar attraktiv.

Europäische Wiederaufrüstung: Emissionen reichen nicht, um Anleiherenditen hochzutreiben

Anders ist die Entwicklung bei deutschen Bundesanleihen: Hier liegen die Renditen zwischen 2,0 und 3,0 Prozent und tendieren weiter nach unten zum Niveau der Jahre 2010 bis 2015 – einer Zeit, die von der Euro-Schuldenkrise geprägt war. Denn: Zwar wird die Europäische Union ihre Verteidigungsausgaben aufstocken müssen, insbesondere jetzt, da die USA ihre Unterstützung für die Ukraine reduzieren oder ganz zurückziehen. Die dafür notwendigen Emissionen werden jedoch keinen bedeutenden Anstieg der Anleiherenditen auslösen. Käme die EZB zu dem Schluss, dass ein erhöhtes Angebot an Schuldtiteln zu einer ungerechtfertigten Verschärfung der Finanzierungsbedingungen führen würde, könnte sie die Zinssätze weiter lockern oder ihre fällig werdenden Anleihebestände teilweise neu auflegen – die Hürde dafür ist jedoch recht hoch.

Jüngste Untersuchungen der EZB deuten darauf hin, dass der natürliche Zinssatz bei etwa 2,0 Prozent liegen sollte. Der Konsens auf dem Markt ist, dass wir dieses neutrale Niveau im Sommer mit drei Zinssenkungen erreichen werden. Auch wenn es seitens der EZB keine klare Zusage gibt, dass sie die Zinssätze danach noch weiter senken wird: Wir glauben, dass die europäische Wirtschaft davon profitieren würde. Auf kurze Sicht dürften eine stärker fragmentierte Weltwirtschaft und steigende Defizite das Wirtschaftswachstum nicht wesentlich ankurbeln. Die Renditen der Bundesanleihen sollten daher einen Abwärtsdruck erfahren und sich bis zum Sommer dem Zwei-Prozent-Ziel annähern.

Für den Rest des Jahres werden die Renditen von Bundesanleihen von der Reaktion der EU abhängen und davon, ob das globale Wachstum wirklich einen Dämpfer erfährt. Längerfristig dürften sich die demografischen Realitäten in der EU wieder durchsetzen: eine milde Inflation vor dem Hintergrund eines moderaten Wachstums, das hoffentlich durch eine umsichtige fiskalische Expansion gestützt wird.

Marktkommentar von Daniel Loughney, Head of Fixed Income, und Marco Meijer, Portfolio Manager & Deputy Head of Fixed Income bei Mediolanum International Funds.