Ökosysteme liegen VVaG im Blut

23.07.2019

Joost Heidemann / Foto: © Digital Insurance Agenda

Interessant ist, dass Sie bei der Schilderung Ihres Konzepts nicht ein einziges Mal das Wort Versicherung erwähnt haben.

Joost: „Ganz richtig! Das macht sehr gut deutlich, in welche Richtung wir zielen. Wir haben 1,5 Millionen Mitglieder, auf die wir stolz sind, und die zum größten Teil auch stolz auf uns sind. Wir wollen für sie relevant sein und bleiben, und das auch auf neuen Gebieten. Das Beispiel der alternativen Energiegewinnung ist eindeutig ein neues Gebiet. Selbstverständlich ist es auch eine potenzielle neue Einkommensquelle für uns, weil sich mit diesen neuen Konzepten und Geschäftsmodellen neue Gewinnspannen erzielen lassen. Auch aus regulatorischer Perspektive ist das Thema wichtig, weil diese Modelle nicht den gleichen Eigenkapitalanforderungen unterliegen. Hier locken im Vergleich zu den traditionellen Versicherungsbeiträgen also attraktive Margen.“

Ein sehr außergewöhnliches Beispiel für eine ökosystemorientierte Denkweise, die neue Gewinnströme und Geschäftsmodelle eröffnet. Univé hat einige hoch interessante Initiativen ergriffen. Könnten Sie uns ein wenig darüber erzählen, wie Sie als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit dieses Feld erkunden und sein Potenzial ausschöpfen? Joost: „Interessanterweise trug eine kürzlich veröffentlichte Studie der amerikanischen Ratingagentur A.M. Best folgende Überschrift: `Warum sich Insurtechs und kleine Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit im Bereich Sach- und Unfallversicherung möglicherweise gegenseitig brauchen.“ Die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit werden von Insurtechs gerne übersehen, weil diese eher mit kapitalstarken Großunternehmen arbeiten. Die kleinen und mittelständischen Versicherungsvereine verfügen aber über tonnenweise langjährige Erfahrung im Versicherungsgeschäft; nur was Innovation und Technologie betrifft, hinken sie ein wenig hinterher. Ich glaube, wir als Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sind sehr offen für eine Kooperation mit Insurtechs.“

Wollen Sie damit sagen, dass kleinere, mittelständische Versicherer, insbesondere die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, einen klaren Bedarf und auch den Wunsch haben, mit Insurtechs zusammenzuarbeiten?

Joos: „Absolut. Ich würde Insurtechs auf jeden Fall empfehlen, auf diese Versicherungsgesellschaften zuzugehen, weil sie glücklich wären, sie zu einer Kooperation einzuladen. Wir bei Univé haben das gemacht und arbeiten inzwischen mit einigen Insurtechs zusammen. Normalerweise arbeitet man gut mit Menschen zusammen, die eine ähnliche Weltsicht haben, wie man selbst. Und danach suchen wir. Wir haben eine ganz spezifische DNA. Uns sind unsere Mitglieder wichtig – Mitglieder, nicht Kunden. Unser Ziel ist, ihnen das Leben einfacher und angenehmer zu machen. Insurtechs verfolgen ein ähnliches Ziel, daher haben sie viel mit uns gemeinsam. Wir suchen nach technologischen Kompetenzen, aber auch nach einer Übereinstimmung mit unseren Zielen und der Art und Weise, wie wir die Welt verändern wollen. Das ist für uns das eigentliche Differenzierungsmerkmal.“

Welches sind nach all Ihren Erfahrungen mit der Entwicklung und Pflege von Ökosystemen die zentralen Erfolgsfaktoren, die Sie unseren Lesern nennen können?

Joost: „Damit all das geschehen kann, ist meines Erachtens in Versicherungsunternehmen vor allem eine andere Art der Führung nötig. Das müssen wir erkennen und unseren Führungsstil danach ausrichtgen. Eine wesentliche Voraussetzung ist ein völlig verändertes Führungskonzept.“

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