Ökosysteme liegen VVaG im Blut
23.07.2019
Joost Heidemann / Foto: © Digital Insurance Agenda
Wenn man über Ökosysteme liest, ist meistens von den offensichtlichsten Plattformen die Rede, und zwar den Lebensbereichen Mobilität, Wohnen und Zuhause und Arbeit. Nach unserer Auffassung zielt das auf die unterschiedlichen Phasen im Verlauf des Tages ab. Welche Plattformen oder Ökosysteme werden Ihrer Meinung nach im kommenden Jahrzehnt zu den Gewinnern gehören beziehungsweise die größte Bedeutung erlangen?
Joost: „Ihre Frage bringt mich richtig ins Grübeln. Wir träumen davon, als Versicherungsunternehmen zu `gewinnen´, aber vielleicht `gewinnen´ wir gar nicht. Denken Sie an den Aufstieg der großen Technologiekonzerne, die ganz offensichtlich ein gutes Konzept verfolgen und erfolgreich sind, aber inzwischen einige Probleme haben. Aus der Verbraucherperspektive sind Relevanz und Vertrauenswürdigkeit ebenfalls bedeutende Aspekte. Die Frage, wer ihre Daten verwendet und verwaltet, ist ihnen zunehmend wichtig. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen, natürlich ist mein Traum für Univé, dass wir die Gans sein werden, die die goldenen Eier legt, aber es gibt zahlreiche weitere Akteure auf diesem Gebiet – vor allem große Technologiekonzerne wie Google und Amazon, die im Bereich Wohnen und Zuhause unterwegs sind und sich in kurzer Zeit eine Position erarbeiten. Auf demselben Gebiet tummeln sich aber auch Baufirmen und Versorgungsunternehmen – oder Automobilhersteller im Bereich Mobilität.“
Könnten Sie ein Beispiel nennen?
Joost: „Gewiss. Univé führt derzeit das Pilotprojekt einer Energiekooperative durch. Univé wurde Ende 18. Jahrhunderts von einer kleinen Gruppe Bauern gegründet. Heute haben wir 15.000 Landwirte in unserem Portfolio. Viele von ihnen haben immer noch ein Asbestproblem in ihren Ställen, Scheunen oder ihren Dächern. Die niederländischen Gesetze schreiben vor, dass alles Asbest bis 2025 entfernt werden muss. Wie wir desöfteren erleben, dauert es eine Weile, bis solche Prozesse in Gang kommen. Da wir viele dieser Scheunen und Ställe versichert haben, machen wir uns natürlich auch große Gedanken über dieses Thema. Daher hat sich Univé mit einigen der Landwirte zusammengetan, um Konzepte zu entwickeln, wie wird das „gemeinsam lösen“ können. Das Ergebnis ist, dass Univé nun mit einer Initiative beginnt, in deren Rahmen das Asbest aus den Dächern entfernt wird und stattdessen Solarpanele angebracht werden. Mit einem Investitionsplan, der in Kooperation mit vielfältigen Partnern entwickelt wurde, legen wir nun ein solides Fundament, damit diese Landwirte Solarenergie erzeugen können, die nicht nur ihren eigenen Energiebedarf deckt, sondern genügend Energie für andere bei Univé versicherte Haushalte in der Gegend liefert. Sie können sich vorstellen, dass das lokale Element in der Energieerzeugung sowohl von den Anbietern als auch den Nutzern sehr geschätzt wird. Auf diese Weise etablieren wir eine Energiegemeinde oder -kooperative für Angebot und Nachfrage und lösen gleichzeitig das große Asbestproblem. Natürlich arbeiten wir dabei mit entsprechenden Solaranbietern zusammen. Allerdings sind wir diejenigen, die die Fäden in der Hand halten und alle Beteiligten steuern und organisieren, die gerne ein Stück von dem gesamten Kuchen haben möchten. Niemand ist aber darauf aus, sich den ganzen Kuchen zu reservieren. Ich glaube, das ist sehr wichtig. Oft gibt es jemanden, der alles machen und kontrollieren will, aber dann ist es auch schwieriger, die nötige Zugkraft zu entwickeln und eine gute, verlässliche Kooperation zu erzielen. Bei unserem Beispiel wird klar, dass jeder sich dort beteiligt, wo es seinen eigenen Interessen entspricht. Und soweit ich das beurteilen kann, werden wir in einigen Jahren wahrscheinlich rund 15.000 Landwirten bei der Lösung ihres Asbestproblems und dem Übergang zu erneuerbaren Energien und wer weiß, was noch, geholfen haben!“
Warum Joost Heidemann das Wort "Versicherungen" gerne vermeidet, lesen Sie auf Seite 3