Nicht den Draht zum Kunden verlieren

21.10.2019

Harald Seliger, Jan Wendt, Stefan Hedrich (v.l.n.r.) im Gespräch / Fotos: © finanzwelt

finanzwelt: Finden denn Fahrassistenzsysteme bereits Berücksichtigung in der Kfz-Versicherung? Wendt: Ich habe letztens die Fragen in einem Online-Rechner gesehen. Seliger: In unserem Firmenkundengeschäft ja. Aber da reden wir über große LKWs, die einen Abbiegeassistenten haben. Die Unfälle beim Abbiegen sind zwar nicht sehr häufig, aber wenn es passiert, besonders schlimm. Deshalb haben wir festgelegt, dass der Rechtsabbiegeassistent im Moment das probateste Mittel ist, das zu verhindern. Da gehen wir, glaube ich, 15 % in der Prämie runter. Mit den E-Scootern wird das Thema weiter an Bedeutung gewinnen: Wir werden in den nächsten Monaten viele Scooter-Fahrer sehen, die den Abbiegevorgang nicht zu Ende bringen.

finanzwelt: Wie sieht es mit autonomem Fahren aus? Wie wird dieses Risiko abgesichert? Hedrich: Wir waren von Anfang an mit dem Karlsruhe Institute of Technology am autonomen Fahren beteiligt, wir versichern auch einen Audi Q5, der autonom durch Karlsruhe fährt. Auto-nomes Fahren ist derzeit noch sehr diffizil zu betrachten: Wir haben ja keinen einheitlichen Verkehr. Wenn wir alle einheitlich autonom fahren, spielt es keine Rolle, ob ich den Fahranfänger oder den Rennfahrer rein setze. Dann gibt es nur richtig programmiert oder falsch programmiert. Seliger: Wir haben einen autonomen Bus getestet und beobachtet, wie sich die Menschen darin fühlen. In einem vollautonomen Auto zu sitzen, können wir uns alle noch nicht so richtig vorstellen. Da war es schon interessant, wie zügig die Leute unseren Bus akzeptiert haben. Hedrich: Das ist eine Frage der Gewohnheit. Seliger: Bis zum komplett autonomen Fahren werden noch 25 bis 30 Jahre vergehen. Bis die Generation ausgetauscht ist und bis die Technik so weit ist. Da wird auch die Frage nach 5 G wichtig und das wird auf dem Land nicht so einfach werden. Außerdem müssen auch komplexe Rechnerkapazitäten herangeschafft werden, wo man sich die Frage stellen muss, wie viel Strom man dafür braucht. Und so weiter….

finanzwelt: Was werden künftige Entscheidungsfaktoren für Kfz-Versicherungen sein? Hedrich: Es gibt einen entscheidenden Faktor: Wir als Versicherer müssen Geld auch mit dem Kfz-Geschäft, sowohl beim Einzelkunden als auch im Flottengeschäft, verdienen. Es muss sich rechnen, ansonsten wird es langfristig andere Lösungen geben. Seliger: Kfz ist die Hälfte vom Kompositgeschäft in Deutschland. 2014/15 hat man wegen dem autonomen Fahren vom „Niedergang der Kfz-Versicherung“ gesprochen. Aber übernächstes Jahr werden wir die 30 Mrd. Euro beim Beitragsvolumen knacken, das ist eine ganz stolze Summe: Wir haben früher mal Minus gemacht, jetzt sind wir das fünfte Jahr in Folge im Plus. Also bei 30 Mrd. Euro, der Hälfte vom Gesamtgeschäft-Komposit, kann es sich die deutsche Versicherungswirtschaft nicht leisten, hier kein Geld zu verdienen. Zumal der Bereich Leben zurzeit auch nicht gerade der Burner ist.

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