Mutiges Handeln erwünscht

16.03.2021

Jörg Arnold, CEO der Swiss Life Deutschland / Foto: © Swiss Life

finanzwelt: Ist es überhaupt vorstellbar, dass es in ferner Zukunft wieder klassische Modelle „alter Bauart“ geben könnte? Arnold» Ich rechne derzeit nicht damit. Eine langfristige Erholung des Zinsniveaus zeichnet sich nicht zuletzt aufgrund der enormen Kosten zur Bewältigung der Corona-Pandemie und der expansiven Geldpolitik der Notenbanken nicht ab. Zum anderen findet derzeit auch ein Umdenken bei den Sparern statt: Gerade junge Menschen setzen mehr auf investmentbasiertes Sparen. Diese Entwicklung ist begrüßenswert.

finanzwelt: Anfang des Jahrtausends wurde das Riester-Modell eingeführt, um mit der gleichzeitig umgesetzten Rentenreform entstehende Lücken auszugleichen. Ist dieses Modell in seiner jetzigen Form noch zeitgemäß? Arnold» Die Riester-Rente leidet seit ihrer Einführung an diversen Geburtsfehlern, die so nicht sein müssten: Dazu zählt die komplizierte Definition des Kreises der Zulagenberechtigten, die sehr komplexe und störanfällige Zulagenabwicklung, der Zwang zur Garantie und die fehlende Dynamisierung des Förderbetrags. Mit einer Behebung dieser Probleme wäre allen Beteiligten eher geholfen als mit fruchtlosen Grundsatzdiskussionen über einen staatlichen Vorsorgefonds. Die Grundidee von Riester, Eigeninitiative und Sparfleiß mit Steuervorteilen und Prämien zu belohnen, hat darum auch heute nicht an Relevanz verloren.

finanzwelt: Sollte der Staat eingreifen, um die häufig sehr hohen Kosten von Riester-Verträgen deutlich zu begrenzen? Arnold» Ein wie auch immer gearteter Kostendeckel ist letztlich eine willkürliche Festlegung, die im unglücklichsten Fall dazu führen kann, dass keiner mehr dieses Geschäft machen möchte. Bereits jetzt ist zu beobachten, dass immer mehr Anbieter das Riester-Geschäft aufgeben und somit der Wettbewerb in diesem Segment abnimmt. Allen Beteiligten wäre weitaus mehr damit gedient, wenn die bereits angesprochene komplexe und kostentreibende Zulagenabwicklung vereinfacht und der Zwang zur Garantie abgeschafft wird: Die Verwaltung der Riester-Rente ließe sich dann günstiger darstellen und chancenreichere Anlagestrategien wären ebenfalls möglich. Noch eine Bemerkung zu den Kosten: Die im Zuge des PIA-PIBs eingeführte Effektivkostenquote sorgt bereits für ausreichend Transparenz und übt auch erheblichen Druck auf die Anbieter aus, ihre Kosten in den Griff zu bekommen.

finanzwelt: Warum wird noch immer keine aus Arbeitgeberbeiträgen verpflichtende bAV eingeführt? Bei den Lohnnebenkosten könnte sich das doch Deutschland spielend leisten. Arnold» Sie sollten diesen Vorschlag dem Eigentümer eines Unternehmens aus den Branchen machen, die von der vollen Wucht der Corona-Zwangsmaßnahmen getroffen wurden. Dort ist man sicherlich nicht begeistert über einen rein arbeitgeberfinanzierten bAV-Zwangsbeitrag. Außerdem ist es eine Milchmädchenrechnung zu glauben, dass man die Kosten einer verpflichtenden bAV mit einem Federstrich auf die Arbeitgeber abwälzen könnte. Jeder erwirtschaftete Euro kann nur einmal verteilt werden. Im Zweifel würde dies dazu führen, dass zukünftige Lohnerhöhungen zur Gegenfinanzierung einer arbeitgeberfinanzierten Zwangs-bAV knapper ausfallen.

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