Kann ELTIF 2.0 den Sachwertemarkt beleben?

28.08.2023

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Denken Anleger an strukturierte Sachwertebeteiligungen mit Immobilien, Erneuerbaren Energien und Infrastruktur, fallen ihnen offene und geschlossene Fonds ein. Es gibt eine Alternative, die sich am Markt aus einer Vielzahl von Gründen jedoch noch nicht durchgesetzt hat: Der European Long-Term Investment Fund, kurz ELTIF. Die Europäische Union hat ihn 2015 geschaffen, um langfristige Investitionen in illiquide Privatmarktanlagen zu ermöglichen, gemeint sind nicht-börsennotierte Anlageobjekte. Ab Anfang 2024 gelten neue Regeln, die nicht nur die Konzeption des ELTIF, sondern außerdem eine Zeichnung für alle Beteiligten erheblich erleichtern. Manche Anbieter von Kapitalanlagen für private Investoren warten sehnlichst darauf und haben bereits konkrete Pläne. Andere wollen erst einmal abwarten.

Bislang eignen sich ELTIF ausschließlich für vermögende Anleger. Sie müssen ein Vermögen von mindestens 100.000 Euro nachweisen und dürfen höchsten 10 % davon in einen ELTIF investieren, also 10.000 Euro. Das schreckte offenbar die meisten Emissionshäuser ab. Einzig die Commerzbank-Tochter Commerz Real hat für ihre privaten Kunden einen ELTIF am Standort Luxemburg aufgelegt, der in Erneuerbare Energien investiert. Offenbar die richtige Entscheidung, denn der„klimaVest“ ist eine Erfolgsgeschichte. Seit seiner Auflage Ende Oktober 2020 haben rund 10.000 Anleger das Fondsvolumen auf 1,2 Mrd. Euro erhöht. Das ist ungefähr der gesamte aktuelle Eigenkapitalumsatz aller geschlossenen Publikums-AIF in einem durchschnittlichen Jahr.

Kein Wunder, dass nun auch andere Anbieter ihre Chancen bei dem ELTIF wittern. Sie wollen den AIF allerdings nicht komplett gegen den ELTIF austauschen, sondern ihre Angebotspalette ergänzen. „Wir sehen den AIF weiterhin als Hauptlösung zur Investition in Sachwerte. Aber er wird den Markt erweitern und bereichern: AIF und ELTIF gemeinsam werden mehr Investitionskraft und damit noch mehr Momentum für unsere Investments mit Klimaschutzwirkung bieten“, sagt Tjark Goldenstein, geschäftsführender Gesellschafter der ÖKORENTA Invest GmbH. ÖKORENTA platziert seit vielen Jahren geschlossene Fonds mit Investitionen in Windrädern und Solaranlagen, arbeitet aber „mit Hochdruck an einer ELTIF-Realisierung im kommenden Jahr.“ „Wir sehen ganz neue Anlegerkreise, die wir mit diesem Instrument erschließen können – Anleger, für die unsere AIF nicht in Frage kommen“, so Goldenstein. „Beim AIF sind die Investments enger umrissen, klarer beschrieben. Beim ELTIF investieren Anleger globaler in eine Assetklasse, wobei die Investmentziele nicht so eindeutig sind wie in einem AIF. Durch die Fungibilität sind an das Fondsmanagement zudem ganz andere Ansprüche an die Assetverwaltung gestellt. Wir sehen bei ELTIF nicht das Buy-and-hold eines AIF-Portfolios, sondern eine deutlich höher Volatilität in Zulauf und Verkauf von Assets."

Die hep-Gruppe dagegen, ebenfalls ein Anbieter von Fonds mit Investitionen in Erneuerbare Energien, sieht keine Priorität, an einem ELTIF zu arbeiten. Das mag verwundern, da hep seit März 2023 Heiko Szczodrowski als CEO der hauseigenen HEP Kapitalverwaltung AG verpflichtet hat. Er kommt von der Commerz Real und verantwortete dort die Produktentwicklung und -einführung des „klimaVest“. Doch unter anderen Voraussetzungen. „Startkapital für ein diversifiziertes Startportfolio mit 150 Mio. Euro und bereits vorhandene Strukturen zum Liquiditätsmanagement eines Fonds, der Rückgaben bedient, waren vorhanden“, sagt Szczodrowski.

Europaweit ist der Markt der ELTIF 2022 im Vergleich zum Vorjahr um rund 50 % gewachsen. Scope kommt in einer aktuellen Studie auf ein Volumen von 11,3 Mrd. Euro. Es verteilt sich gleichmäßig auf die Assetklassen Private Equity, Private Debt und Infrastruktur. Produkte für Privatanleger kommen auf ein platziertes Kapital von 2,5 Mrd. Euro. Im Retailgeschäft bleibt Italien der größte Markt. Rund 95 % des italienischen ELTIF-Volumens von 2,6 Mrd. Euro stecken in Produkten, die hauptsächlich an Privatkunden vertrieben werden. Auf den Vertrieb von ELTIF dort wirken sich Steuererleichterungen weiterhin positiv aus. „Die Erfahrungen zeigen, dass steuerliche Anreize für Investitionen in ELTIF sehr förderlich sind“, meinen die Scope-Experten: „Es wäre daher sinnvoll, wenn weitere Nationen wie Deutschland steuerliche Anreize für ELTIF einführen würden, um so signifikante Investitionen aus Privatvermögen in den Transformationsprozess der europäischen Wirtschaft in Richtung CO2-Neutralität zu initiieren.“

Die Europäische Union hat den ELTIF hauptsächlich für Investitionen in Infrastruktur und Erneuerbare Energien vorgesehen. Er eignet sich unter Umständen aber auch zum Beispiel für die Beteiligung an Immobilien. Verifort Capital vertreibt derzeit einen Publikums-AIF mit Investitionen in Sozialimmobilien und bereitet einen Value-Add-Gewerbe-Fonds vor. „Zeit für die Strukturierung eines ELTIFs haben wir in diesem Jahr also nicht mehr. Wir werden uns jedoch intensiv mit diesem Thema beschäftigen und auch prüfen, ob wir für unsere Anleger und Investoren im Jahr 2024 einen wirtschaftlich attraktiven ELTIF initiieren werden“, sagt Frank Huber, CEO der Verifort Capital Group. Er berichtet aus Gesprächen mit Vertriebspartnern, dass sich die Vermittler noch keine gefestigte Meinung zum ELTIF gebildet haben, rechnet aber damit, dass er ein erhebliches Potenzial besitzt – und durchaus eine Chance hat, dem AIF in den kommenden Jahren den Rang abzulaufen. „Vielleicht ist der ELTIF sogar das Instrument, mit dem wieder mehr Schwung und vor allem Investitionskapital in den Markt kommt“, so Huber.

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