Ist die „weiche Landung“ Träumerei?

01.08.2022

Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.

Die amerikanische Notenbank FED hat, wenn auch viel zu spät, die Zinsen relativ kräftig erhöht. Da aber die Inflation noch stärker gestiegen ist, ist der Kaufkraftverlust noch höher geworden. Und bei weiteren Anzeichen einer Rezession (Zinskurve flacht bereits ab, etliche Wirtschaftszahlen verschlechtern sich) wird sie den Geldhahn wieder aufdrehen. Noch stützen Militärausgaben und Lageraufbau die Wirtschaft. Eventuell war aber die letzte Zinserhöhung wirklich die Letzte. Ich glaube fest, dass die Verantwortlichen eher eine höhere Inflation zulassen, als eine Rezession riskieren werden.

Was würde das aber für den deutschen Sparer (zum Beispiel 100.000 Euro) bedeuten? Wenn wir davon ausgehen, dass die Inflation bei uns 2021 bei fünf Prozent lag und 2022 bei sieben Prozent liegen wird. Sie nach einem Jahr vier Prozent, ab 2024 etwa drei Jahre Jahre auf 3,5 Prozent, weitere drei Jahre auf drei Prozent zurückgeht und Anfang der 30er Jahre zwei Jahre bei 2,5 Prozent liegen wird, dann hat der Sparer in zehn Jahren etwa die Hälfte der Kaufkraft seines Geldes verloren. Das heimtückische daran ist, dass er noch immer 100.000 Euro auf dem Sparbuch hat. DIW-Präsident Fratscher würde dann wahrscheinlich sagen: Keine Aufregung, ist ja noch alles da.

Bei einer weichen Landung wächst die Wirtschaft nur noch minimal. Dadurch entspannt sich die Lage am Arbeitsmarkt aber kaum und auch die Inflation geht nur sehr langsam retour. Da bei den Unternehmen durch die Kostensteigerungen die Margen deutlich geschrumpft sind, ist die Zielerreichung „weiche Landung“ fast unmöglich geworden. Entscheiden sich die Verantwortlichen dafür, wie oben vermutet, lieber eine höhere Inflation in Kauf zu nehmen, als eine Rezession loszutreten, könnten die Kapitalzinsen weiter steigen, weil sie dem gestiegenen Risiko bzw. Kaufkraftverlust Rechnung tragen.

Die 10-jährigen Zinsen haben inzwischen ihren seit Ende der 80-er Jahre Trend fallender Zinsen nach oben gebrochen Die Überalterung, die Deglobalisierung und die Klimamaßnahmen werden die Inflation eher noch anheizen. Die Marktzinsen könnten sogar dann steigen, wenn die Notenbanken den Fuß von der Bremse nehmen. Aktien- und vor allem die Immobilienmärkte werden dann leiden. Beide wurden durch die sehr offensive Geldpolitik der letzten Jahre nach oben getrieben und sind jetzt besonders anfällig bei Zinsanstiege. Der Immobilienmarkt sendet schon erste Warnsignale. Grundstückskäufer stornieren den Kauf, weil sie das Haus aufgrund der höheren Baupreise nicht mehr finanzieren können. Auch nehmen Banken aufgrund der Preissteigerungen ihre Finanzierungszusage zurück bzw. lehnen höhere Kredite ab. So finden Verkaufswillige, die u.a. befürchten, dass die Steuerfreiheit nach zehn Jahren Haltedauer gekappt wird, keine Käufer mehr. Andere stellen fest, dass Käufer nicht mehr bereit sind, jeden Preis zu bezahlen. Alles Hinweise, dass vorläufig die Preise ausgereizt und anfällig für Korrekturen sind.

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