Geldschwemme = Inflation?

11.01.2021

Rui Soares, Investment Professional bei der FAM Frankfurt Asset Management AG in Frankfurt am Main / Foto: © FAM

B-Geschichte:

320 Milliarden Reichsmark für ein Hühnerei – die deutsche Hyperinflation in der Weimarer Republik

Kriege kosten Geld. Das musste im Sommer 1914 auch der deutsche Staat erfahren, dessen Rücklagen bereits nach dem zweiten Kriegstag aufgebraucht waren. Relativ schnell wurden deshalb Kriegsanleihen emittiert, die bei der deutschen Bevölkerung zunächst auch reißenden Absatz erfuhren. Laut Propaganda sollten die Staatsschulden nach einem schnellen Sieg Deutschlands von den unterlegenen Nationen in Form von Reparationszahlungen zurückgezahlt werden.

Als Mitte 1917 starke Zweifel an einem Sieg des Deutschen Heers aufkamen, kollabierte die Nachfrage. Die Zentralbank (Reichsbank) sprang ein und kaufte die Anleihen direkt vom Staat. Es entstand eine Monetisierung des Haushaltsdefizits. Die deutschen Sparer versuchten jetzt, ihre Papiermark (die Goldbindung war 1914 aufgehoben worden) in Gold oder Auslandswährungen umzuwandeln, was aufgrund von Kapitalverkehrskontrollen zwar schwierig aber nicht völlig unmöglich war. Zwecks Kriegsführung mussten gleichzeitig Güter wie z.B. Rohstoffe importiert werden. Auch hierfür waren Gold oder Devisen erforderlich. Damit schwappten immer mehr Mark auf die internationalen Währungsmärkte. Diese Entwicklung setzte sich nach Kriegsende im November 1918 beschleunigt fort. Allein zwischen April 1917 und September 1919 wertete die Mark dadurch um mehr als 75 Prozent ab, bei gleichzeitigem Anstieg der Inflation von ca. 25 Prozent im Jahr 1917 auf über 110 Prozent 1920.

Das war allerdings nur der Anfang der Abwertung. Als Kriegsverlierer musste Deutschland Reparationszahlungen an die Alliierten leisten – und zwar in Gold und Auslandswährungen. Hierfür emittierte die Regierung Staatsanleihen. Da die reale Nachfrage für die Papiere allerdings gegen Null ging, war die Reichsbank praktisch der einzige Käufer. Die Monetisierung des Staatsdefizits schritt immer weiter voran, wobei sich durchaus von einer extrem aggressiven Form des Quantitative Easings (QE) sprechen lässt. Immer mehr Geld wurde gedruckt und immer gigantischere Markbeträge „suchten“ nach Gold und Devisen, da die Reparationszahlungen nicht in Mark geleistet werden konnten. Die Mark kollabierte.

Zwischen April 1921 (Festlegung des „London Payment Plan“ durch die Reparations Commission) und Dezember 1923 verlor sie gegenüber dem US-Dollar mehr als 99,99 Prozent an Wert. Hatte der US-Dollar zu Beginn des Krieges noch 4,20 Mark gekostet, mussten am 2. Dezember 1924 für einen Greenback 4,2 Billionen Papiermark gezahlt werden. Die Preise von importierten Gütern, in Mark gerechnet, explodierten und damit auch die Preise von in Deutschland produzierten Gütern und Dienstleistungen (einige der importierten Güter waren Rohstoffe / Zwischenprodukte, die für die Produktion von deutschen Produkten notwendig waren, andere waren Konkurrenzprodukte von einheimischen Produkten). Eine Straßenbahnfahrt kostete 50 Milliarden Mark, ein Kilo Kartoffeln 90 Milliarden und für ein Hühnerei waren 320 Milliarden Papiermark aufzuwenden.

Auf dem Höhepunkt der Inflation wurde mit der Rentenmark im November 1923 in Form von Schuldverschreibungen der Deutschen Rentenbank, die durch zwangsweise mit Grundschulden und Hypotheken belegte Immobilien besichert waren, eine neue Währung eingeführt (Umtauschkurs 1:1 Billionen). In der zweiten Jahreshälfte 1924 kam die Reichsmark hinzu. Seitdem hatte Deutschland (zunächst) wieder eine stabile Währung, niedrige Inflationsraten (ab 1926 ca. 3 Prozent jährlich), ein solides Wirtschaftswachstum (3 bis 5 Prozent) und fallende Arbeitslosenquoten (von 13,5 Prozent in 1923 auf 8,4 Prozent in 1928). Die großen Verlierer waren all diejenigen, die dem deutschen Staat Kredit gewährt hatten. So reduzierte sich die gesamte Kriegsschuld über Nacht von ursprünglich 154 Milliarden Papiermark auf gerade einmal 15,4 Pfennig.

Historisches Dokument von der St. Louis Fed: USD-Cents pro 1 Mark*

*bis April 1917: Mark = Goldmark (Mark war bis August 1914 an Gold gebunden) Mai 1917 bis Oktober 1924: Mark = Papiermark (Link Mark-Gold wurde schon im August 1914, mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs, auf- gehoben). Am 15. November 1923 wurde als erster Schritt der Währungsreform die Rentenmark eingeführt – diese kursierte gleichzeitig mit der Papiermark, zu einem festen Kurs (1 Rentenmark = 1 Billionen Papiermark), bis November 1924, als die Reichsmark als die neue deutsche Währung eingeführt wurde Ab November 1924: Mark = Reichsmark. Umtauschkurs: 1 Reichsmark = 1 Rentenmark = 1 Billion Papiermark

Kolumne von Rui Soares, Investment Professional bei der FAM Frankfurt Asset Management AG in Frankfurt am Main

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