Geldschwemme = Inflation?

11.01.2021

Rui Soares, Investment Professional bei der FAM Frankfurt Asset Management AG in Frankfurt am Main / Foto: © FAM

Niemand da, gegen den man abwerten kann

Kommen wir von der Historie wieder zur Gegenwart. Wie bereits erwähnt, betreiben heute fast alle Länder eine sehr expansive Geld- und Fiskalpolitik, darunter die USA, die EU und Japan mit den systemrelevanten Währungen US-Dollar (60 Prozent der weltweiten Währungsreserven sind im Greenback denominiert), Euro (20 Prozent der weltweiten Währungsreserven) und Yen (6 Prozent). Wenn aber alle diese Länder gleichzeitig „Geld drucken“, gegen wen sollen die global führenden Währungen abwerten? Und wenn es keine signifikanten Abwertungen gibt, wie sollte dann in Amerika, Europa oder Japan eine hohe Inflation entstehen? Grundsätzlich ist damit zu rechnen, dass Fed, EZB und BoJ auch weiterhin eine expansive Notenbankpolitik betreiben werden. Aufgrund der sehr hohen Verschuldung sämtlicher Industrienationen ist das internationale Finanzsystem sehr fragil – und zwar nicht erst seit Corona.

Hohe Duration – für immer gefangen in der Nullzinswelt

Wir leben also in einer Finanz- und Realwirtschaft mit sehr hoher „Duration“, also einer Kombination aus extrem hoher langfristiger Verschuldung und niedrigen Zinsen, die das System gegenüber Zinsänderungen äußerst sensibel macht. Schon relativ kleine Zinserhöhungen oder ein Zurückfahren der Anleihekäufe durch die Notenbanken würgen die Wirtschaft und die Börse sofort ab. Beispiele hierfür sind das „Taper Tantrum“ („Wutanfall der Märkte“) im Mai 2013, nachdem die Fed angekündigt hatte, ihre Anleihekäufe zu reduzieren, oder die Marktverwerfungen im Dezember 2018 – damals nach nur vier kleinen Zinsschritten verteilt über vier Quartale. Aufgrund der hohen Duration gehen die Finanzmärkte davon aus, dass die Zinsen für sehr lange Zeit oder sogar für immer bei bzw. unter null bleiben werden. Erst für das Jahr 2030 wird wieder mit einem leicht positiven kurzfristigen Zins gerechnet.

Japanisierung Europas weiterhin der base case

Das Szenario der „Japanisierung“ Europas bleibt somit intakt, wobei es hierfür natürlich keine 100prozentige Gewissheit gibt. Aktuell sehen wir im Wesentlichen drei Aspekte auf der Angebotsseite, die ein zumindest temporäres Überschießen der Inflation bewirken könnten (sog. „Angebotsschocks“). Dabei handelt es sich erstens um massiv steigende Rohstoffpreise. Der zweite Punkt wäre eine teilweise Zurückverlagerung der Produktion aus den Schwellen- in die Industrieländer, wodurch sich für den Fall unterbrochener Lieferketten durch vermehrte lokale Kapazitäten wieder ein größerer Sicherheitspuffer ergeben würde. Und drittens eine gravierende Anhebung der CO2-Steuer. Solche Angebotsschocks hätten steigende Produktionskosten zur Folge. Der Wahrscheinlichkeit dafür, dass einer dieser drei Aspekte nicht nur eintritt, sondern auch einen deutlichen Einfluss auf die Inflation ausübt, messen wir allerdings einen Wert von deutlich unter zehn Prozent bei.

Fazit zum Thema Verbraucherpreis-Inflation: Solange alle führenden Länder dieselbe expansive Geld- und Fiskalpolitik verfolgen, ist nicht mit einer Abwertung von Währungen wie dem US-Dollar, dem Euro oder dem Yen zu rechnen. Dementsprechend ist auch eine signifikante Wiederbelebung der Inflation als sehr unwahrscheinlich anzusehen. „Unwahrscheinlich“ heißt allerdings nicht unmöglich. Schließlich ist die Welt der Finanzmärkte nicht deterministisch, sondern stets probabilistisch. Ein Inflationsausbruch ist somit ein „Tail Risk“ oder „Schwarzer Schwan“ mit ex ante sehr geringer Eintrittswahrscheinlichkeit, dafür aber weitreichenden Folgen, falls es dann doch zu diesem Szenario kommen sollte.

Fazit:

  • keine in Euro denominierten AAA-Staatsanleihen. Hier sind die Renditen negativ und (leichte) Verluste somit vorprogrammiert. Und sollte es wider Erwarten doch zu einer deutlich anziehenden Inflation kommen, wird dies bei entsprechenden Schuldverschreibungen mit längeren Laufzeiten (zum Beispiel zehn Jahre) zu gravierenden Kursverlusten im zweistelligen Prozentbereich führen.
  • Aktien: Ja, aber … Die Bewertungen sind hier inzwischen sehr ambitioniert, im Vergleich zu anderen traditionellen Asset Klassen wie eben Staatsanleihen oder auch Immobilien in Ballungsräumen jedoch immer noch attraktiver. Im Falle eines Inflations-Come Backs könnten Unternehmen mit starker Wettbewerbsposition die höheren Produktionskosten an ihre Kunden weitergeben und so die Gewinnmarge und inflationsbereinigte Profitabilität stabil halten.
  • Edelmetalle/Gold: Weiterhin als „Portfolio-Hedge“ ein Muss. Gold ist die Absicherung im Portfolio, falls es zu einer hohen oder gar unkontrollierbaren Inflation kommen sollte. Eine Gewichtung von fünf bis zehn Prozent im Portfolio ist konsistent mit der niedrigen Eintrittswahrscheinlichkeit, die wir einer massiven Geldabwertung beimessen. Neben einem 1:1-Produkt auf Gold kommen als Ergänzung auch Silber und Minenaktien-Fonds in Betracht.
  • Prämienstrategie und High Yield: Bleiben als Depotstabilisatoren auch 2021 wesentliche Bausteine. Zielsetzung ist und bleibt dabei das Erreichen aktienähnlicher Renditen bei deutlich geringeren Schwankungen. Der von beiden Konzepten zu erwartende mittlere einstellige Return ist in der heutigen Nullzinswelt attraktiv und er kann auch dann erreicht werden, wenn der Aktienmarkt stagniert oder leicht nachgibt.

Eine Einblick in die große Inflation von 1923 gibt es auf Seite 3