Freispruch für Turgut

14.03.2018

Michael Turgut (Mitte) mit seinen Anwälten Dr. Tobias Liebau (li.) und Dr. Marc Langrock (re.) beim Exklusiv-Interview mit finanzwelt / Foto: © finanzwelt

Turgut: Was sich ganz klar dabei heraus kristallisierte war, dass unser Ausbildungssystem im Vertrieb nicht zu beanstanden war. Kein einziger junger Vertriebspartner war beim Kunden alleine. Immer war ein erfahrener Vertriebspartner mit entsprechender Fachkenntnis als Mentor mit anwesend, so dass immer eine doppelte Kontrolle über das Vertriebsgespräch stattfand. Außerdem hat kein Anleger beim ersten Termin sofort unterzeichnet. Es gab immer erst einen Folgetermin. Beides hat mir die Staatsanwaltschaft bei meiner Einlassung nicht geglaubt.

Dr. Tobias Liebau: Die Kammer hat dies sogar noch einmal das Schulungssystem positiv hervorgehoben.

finanzwelt: Inwieweit hat denn die Staatsanwaltschaft die komplizierte Thematik des Vertriebs von Finanzanlagen verstanden? Turgut: Das hat mich auch gewundert. Die erste Kammer, die die Eröffnung gemacht hat, sowie der zuerst ermittelnde Staatsanwalt haben wohl nicht das Emissionsprospekt gelesen. Da steht nämlich drin, dass 15 % Emissionskosten sind und davon die Hälfte, nämlich 7,5 %, sofort und die anderen 7,5 % über die Laufzeit verteilt entstehen. Das heißt, von den 100 % der Anlagesumme werden 92,5 % der Summe angelegt. Das wussten die nicht und das hat anscheinend auch gar keinen interessiert. Das ist erst in der Hauptverhandlung klar geworden.

Dr. Liebau: Da haben Sie Recht, dass verschiedene Dinge anfänglich nicht verstanden worden sind. Es wurde einfach mit Begrifflichkeiten hantiert, die zum Teil verwechselt und zum Teil nicht klar definiert worden sind.

Dr. Langrock: Ohne da jemanden einen Vorwurf machen zu wollen, liegt es sicherlich auch daran, dass diese wirtschaftlichen Fragen nicht ganz einfach sind. Ich habe allerdings schnell den Eindruck gewonnen, dass es ein ganz gravierendes Missverständnis auf Seiten der Staatsanwaltschaft gab. Von den Vermittlern, die im Zeichnungsschein als Abschlussvermittler ausgewiesen waren, handelte es sich um den Vermittler, der den Kunden akquiriert hatte. Das waren in der Regel Berufsanfänger und nicht diejenigen, die das Verkaufsgespräch mit ihrem kompetenten Fachwissen geführt hatten. Denn wie Herr Turgut vorhin schon erwähnt hatte, wurde immer der Berufsanfänger mit einem erfahrenen Vermittler als Mentor begleitet. Es wurde von der Staatsanwaltschaft aber der unerfahrenere Vermittler befragt, der sich natürlich nicht so tief in der Materie befand, wie sein Kollege, der das Gespräch geführt hatte. Das führte dann zu dem Missverständnis, dass ein Heer ahnungsloser Vermittler losgeschickt worden sei, um Verkaufsgespräche zu führen. Dieses Missverständnis wurde im Laufe der Verhandlung nach und nach aufgelöst.

finanzwelt: Das Managermagazin schrieb, dass ohne das Wissen der Anleger bei den Investments regelmäßig besonders viel Geld in die Taschen des Finanzvertriebs floss. Bis zu 20 % oder mehr der investierten Summe stände aus diesem Grund gar nicht erst für den eigentlich versprochenen Investitionszweck zur Verfügung und es sei in der Folge logisch, dass es dann auch kaum möglich wäre, die versprochenen Renditen zu erzielen. Wie sehen Sie diesen Vorwurf? Turgut: Wie Sie ja wissen, waren in dem konkreten Fall die Weichkosten überhaupt nicht so hoch und wurden zudem noch um die Hälfte auf die Laufzeit verteilt. Aber selbst wenn die Weichkosten bei 20 % liegen würden und ich die 80 % meines Kapitals aber mit 6 % über 20 Jahre anlege, dann habe ich doch die 100 % fast verdoppelt in dem Zeitraum. Aber darum ging es ja gar nicht in dem Prozess, sondern darum, dass die Weichkosten den Anlegern nicht angegeben worden sein sollen.

finanzwelt: Ob das auch die Anleger wussten, dass es gar nicht um die Produkte, sondern um den Vertrieb ging? Turgut: Definitiv wussten das die meisten nicht. Eine Zeugin stuppst mich doch im Gericht an und fragte, ob sie ihr Geld von mir wieder bekäme. Dabei habe ich als Vertrieb ihr Geld doch gar nicht erhalten.

Dr. Langrock: Diese falsche Erwartungshaltung der Anleger erschwerte natürlich die Befragung der Zeugen. Wenn sie vom Gericht oder der Staatsanwaltschaft danach gefragt wurden, ob sie von den zusätzlichen Kosten gewusst hätten und ob sie in diesem Fall auch gezeichnet hätten, kann man sich die Antwort von jemanden, der sein Geld letztlich verloren hat, leicht vorstellen. Einer rief aus, er hätte im Wissen um die Kosten den Zeichnungsschein noch in der Luft zerrissen. In der anschließenden Befragung durch die Verteidigung, in der herausgearbeitet wurde, dass diese Kosten nicht ungewöhnlich sind und der Steuervorteil doch gerade auf diesen Kosten beruhte, gab der Zeuge dann an, dass er den Fonds trotz der Kosten dann wohl doch gezeichnet hätte.

Turgut: Aber alles in Allem will ich mich an dieser Stelle bedanken, dass die Wirtschaftskammer Hof sehr an der Wahrheitsfindung interessiert war und alles soweit aufgeklärt werden konnte.

finanzwelt: Meine Herren, vielen Dank für das spannende Gespräch.