„Es geht immer weiter!“

26.04.2023

finanzwelt: Da spreche ich jetzt für die jüngere Generation, die sich dann fragt: Wir haben 2023, wie kann es sein, dass dieses Thema immer noch kein „Trend“ bzw. immer noch nicht angekommen ist?

Bender» Es muss gar kein Trend sein, es muss Normalität sein. Für mich ist aber bei dieser Diskussion wichtig: Was will man? Egal, ob Mann oder Frau. Was möchte ich beruflich machen, wo möchte ich hin? Und wir, die wir hier sitzen, sind ja auch Beispiele dafür, dass man auch als Frau gut in einer „Männerwelt“ unterwegs sein kann. Mir hat das nie etwas ausgemacht und ich habe mich nie benachteiligt gefühlt. Eher im Gegenteil. Und das versuche ich zu transportieren.

Markovic-Sobau» Ich bin der Meinung, dass wir keine Frauen-Quote benötigen, um einen höheren Anteil von Frauen im Vertrieb zu erreichen. Eine Frauen-Quote haben wir drei hier im Gespräch auch nicht gebraucht. Ich denke, Mentoring spielt eine große Rolle. Viele junge Frauen, die ich kennengelernt habe, sind unsicher in der beruflichen Umgebung, die sie vor finden. Das kann natürlich auch Männer betreffen. Worauf ich hinaus will: Manche brauchen einen Push, es muss eine gute Förderungen stattfinden, die Mitarbeiterinnen sollen Erfahrung sammeln können und auf ein familiäres Umfeld treffen. Ich kenne viele gute Frauen, die nicht weiterkommen, weil sie in der Umgebung, in der sie sind, nicht an sich glauben. Es liegt an uns, diese Umgebung förderlich zu gestalten und in den Firmen etwas für Frauen im Vertrieb und Frauen in Führung zu tun.

Bender» Das ist für mich aber nicht unbedingt ein Problem der jeweiligen Industrie. Es gibt viele Branchen, die angeblich Männerdomänen sind. Wie man aufwächst und welche Unterstützung man aus der Familie oder dem Umfeld bekommt, spielen dann generell eine Rolle. Und auch Talent hat meiner Meinung nach damit zu tun. Nicht jeder kann alles. Junge Menschen sollten sich also ihrer Stärken und Talente bewusstwerden, unabhängig vom Geschlecht. Und danach sollte man seinen Beruf, seine Berufung suchen. Und manchmal muss man auch erstmal Sachen ausprobieren, bevor man das richtige findet.

Radl» Meiner Meinung nach sind aber auch Engagement und Mut wichtig. Sich einfach mal in Dinge reinzuarbeiten, Biss zu zeigen und sich mit Themen zu beschäftigen, auch wenn man es nicht gleich kann. Das vermisse ich oft bei jungen Männern und Frauen. Und heute sind dem Nachwuchs ja auch ganz andere Dinge wichtig, wie z. B. Work-Life-Balance.

Markovic-Sobau» Ich frage mich manchmal, ob unsere Ansichten die richtigen sind. Bei uns war es so: Wer vorankommen wollte, musste sich durchbeißen. Nur kann ich meine Berufslaufbahn und meine Erfahrung nicht als Maßstab heranziehen, um Antworten für die junge Generation zu finden. Ich denke, wir sollten uns an den Anforderungen der neuen Generation orientieren. Nur dann gewinnen wir Nachwuchs. Selbst wenn wir ausbilden, bekommen wir nicht die Mitarbeiter nach unserem Modell. Wir brauchen passende Angebote für die Frauen und Männer, die in den Arbeitsmarkt nachrücken.

Radl» Egal, ob für den Fonds- oder Versicherungsbereich, Nachwuchs-Beraterinnen zu finden ist schwierig. Wir bilden auch selbst aus. Und obwohl ich seit 30 Jahren Personal in allen Facetten mache, komme ich an einen Punkt, an dem ich sagen muss, ich bin a) müde und b) am Ende mit meinem Latein. Viele junge Leute haben heute zum Beispiel so eine Scheu vor Kundenkontakt oder sogar vor dem Telefonieren.

Bender» Die Kommunikation ist mittlerweile auch ganz anders als früher. Die wachsen seit ihrer Geburt mit Handy und Internet auf. Messaging, E-Mails, da ist Telefonieren unnötig – die haben teilweise richtig Panik davor. Diese Erfahrung habe ich mit Praktikanten im Betrieb auch schon gemacht. Ich frage mich, wann da die Zeitenwende kommt, denn diese Generation wird ja irgendwann auch mal Kunde sein. Da läuft die Kommunikation dann nur noch digital – aber das ist dann vielleicht auch nicht mehr meine Welt.

Radl» Das geht mir genauso. Es gibt aber auch junge Leute, die selbstständig arbeiten und aufgeweckt sind.

Bender» Nur wollen dann alle diese wenigen Talente für sich gewinnen.

finanzwelt: Welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie denn, um solche Talente von sich zu überzeugen?

Radl» Unser Verband, die FinanzFach-Frauen, hat eine Initiative gestartet, den Girls-Day, um erst einmal über die Finanzbranche aufzuklären. Wir besuchen Ende April mit Mädchen die Börsen in ganz Deutschland, wie u. a. Frankfurt und Stuttgart. Dort möchten wir zeigen, was Aktien sind und welche Berufe es in der Finanzwelt überhaupt gibt, wie beispielsweise Bankkaufmann/-frau, Kaufmann/-frau für Investmentfonds oder Börsenhändler/in. Dabei wollen wir auch zeigen, dass es gar nicht so beängstigend oder schwierig ist. Finanzbildung findet ja auch in der Schule nicht statt, dass fällt mir immer wieder auf. Und dabei sollten die Schulen mehr Initiativen in diesem Bereich starten.

Markovic-Sobau» Ich glaube, dass wir in einer Zeit leben, in der man gute Geschichten braucht. Wenn es uns gelingt, jungen Menschen zu vermitteln, dass wir etwas Gutes machen, dann kommt das auch an. Man muss einen Sinn, eine Antwort auf die Frage „Why?“ transportieren. Wenn wir Sinn vermitteln und zeigen, welchen Nutzen wir stiften, dann können wir gute Leute gewinnen. Damit habe ich jetzt zum Beispiel einige gute Frauen gewonnen, aus verschiedenen Finanzbranchenumgebungen. Die wollen dahin, wo es eine gute Story gibt, wo sie etwas bewirken können und ihre Arbeit einen Sinn hat. Den Sinn kann ich herleiten aus einzelnen Produkten wie der betrieblichen Krankenversicherung oder dem Geschäftsmodell Kranken an sich.

Radl» Unser Problem als kleinere Firma ist dabei, dass wir gegen große Unternehmen konkurrieren müssen. Ich bleibe aber immer optimistisch. Und ich habe zum Beispiel gute Erfahrungen mit Quereinsteigerinnen gemacht, die sind oft sehr motiviert und engagiert.

finanzwelt: Ich möchte jetzt nochmal auf den Aspekt der Nachhaltigkeit eingehen. Dieses Thema wird regulatorisch sehr vorangetrieben. Welche Entwicklungen beobachten Sie? Kommt das bei den Kunden überhaupt an?

Bender» Wir im Asset Management sind da in einer Blase. Für uns gibt es fast nur noch dieses Thema. Ich glaube, dass sich Kunden – und hier spreche ich gerade für die Retail-Investoren – schon dafür interessieren, etwas Gutes zu tun. Gleichzeitig muss aber auch die Rendite stimmen. Das bekommen wir von Beratern gespiegelt. Und die regulatorischen Vorschriften, was wir alles abfragen, und welche Daten gesammelt werden müssen, sind teilweise schlimm. Und dann gibt es zwar eine Vielzahl von Ratingagenturen, die bewerten, welche Unternehmen nachhaltig sind, doch die Ergebnisse sind auch nicht immer einheitlich. Man hat manchmal das Gefühl, wir Asset Manager sollen gemeinsam mit den Anlegern die Welt retten, dabei passen viele Rahmenbedingungen noch nicht. Natürlich begrüßen wir, dass sich etwas verändern soll, weil es so nicht weitergeht. Aber Asset Manager oder Finanzvertriebe können nicht allein der Retter der Welt sein, wenn an vielen anderen Stellen nichts passiert.

» Junge Menschen sollten sich also ihrer Stärken und Talente bewusstwerden, unabhängig vom Geschlecht. Und danach sollte man seinen Beruf, seine Berufung suchen. «

Radl» Da bin ich hundertprozentig bei Ihnen. Ich sehe das kritisch, denn da findet mal wieder eine Überregulierung statt. Unseren Kundinnen und Kunden bringt es keinen Mehrwert. Wenn ich muss, frage ich es ab, mache einen Haken dran, fertig. Andererseits gibt es bei uns Kolleginnen, die sich bereits seit vielen Jahren auf das Thema spezialisiert haben, weil sie davon überzeugt sind. Ich finde, jeder Kunde sollte das bekommen, was er möchte. Aber wir tragen die Last mit den Dokumentationspflichten, die jedes Jahr noch schlimmer werden. Und die Kunden interessiert es nicht. Damit wird am Ziel vorbeigeschossen. Und aus meiner Sicht ist ein Unternehmen mit einem stabilen und langfristigen Geschäftsmodell, guten Gewinnen und einem ordentlichen Umgang mit den Mitarbeitern ein nachhaltiges Unternehmen.