Dienstleistungen im B2B-Bereich verramschen?

22.11.2024

Foto: Bernhard Kuntz

Der Black Friday naht. Dies merken wir daran, dass immer mehr Mails von Dienstleistern wie Beratern, Trainern, Coaches bei uns eintreffen, in denen diese uns ihre Leistungen anlässlich des Black Friday (am 29. November) zu einem Super-Sonder-Vorzugspreis anbieten. Dabei überbieten sich die Anbieter mit ihren „sensationellen“ Rabatten und Preisnachlässen. So bot uns zum Beispiel der Anbieter einer Coaching-Ausbildung (anscheinend ein Geizkragen) vergangenen Freitag seine Leistung nur mit einem Preisnachlass von einem Drittel an.

Wow! Zwei Drittel Preisnachlass auf Seminare! Ein Anbieter offener Seminare hingegen zeigte sich großzügiger: Er offerierte uns (wie vermutlich Hunderten oder gar Tausenden weiteren Mail-Empfängern) für all seine Seminare, die „bis Ende des 1. Quartals 2025“ noch stattfinden, einen Preisnachlass von zwei Dritteln, also fast 67 Prozent – sofern

- das Seminar bis zum 15. Dezember 2024 gebucht wird und

- bis zum Jahresende die „Hälfte der TeilnahmeGebühr“ auf seinem Konto landet.

Was mit der „Gebühr“ geschieht, wenn die Seminare im 1. Quartal 2025 – zum Beispiel wegen einer ungenügenden Teilnehmerzahl trotz des „Dumping-Angebots“ – nicht stattfinden, davon erfährt man in der Mail leider nichts.

Spitze! Rabatt für das gesamte 1. Halbjahr 2025!

Noch großzügiger ist ein Bildungsanbieter aus RheinlandPfalz, von dem ich heute Morgen (wie im Vorjahr) eine Werbemail mit dem Betreff „Einmalige Chance: Black Friday – Weiterbildung mit …. um 50 Prozent reduziert“ (Anbietername entfernt - Anmerkung).

Diese Mail startete mit der Aussage: „In dieser unsicheren, von rascher Veränderung geprägten Zeit haben Sie sich einen Black Friday der exklusiven Weiterbildung mit … verdient!“ Oh, wie erfreulich!

Danach wurde mir folgendes Angebot unterbreitet: „Buchen Sie all unsere Weiterbildungsangebote im 1. Halbjahr 2025 ZUM HALBEN PREIS – solange die noch verfügbaren Plätze reichen!“ Daran dürfte kein Mangel bestehen; ansonsten würde der Anbieter seine „Produkte“ ja nicht wie ein Teleshopping-Anbieter vermarkten bzw. verramschen.

Fast immer gratis: Online-Beratungs- und -Seminarangebote

Doch warum sollte ich mich zwecks Weiterbildung oder Beratung überhaupt vom Bürostuhl erheben, mich auf den Weg zum betreffenden Anbieter machen und diesem für seine Leistung auch noch Geld bezahlen? Schließlich werden mir aktuell nahezu täglich Gratis-Angebote für Online-Beratungen, -Coachings und -Seminare unterbreitet – und zwar mit so reißerischen Betreffs wie

- „Einmalige Chance: ...“ (selbst wenn wir von dem betreffenden Anbieter gefühlt im Wochenrhythmus ein entsprechendes Angebot erhalten),

- „Nur für Sie: ....“ (selbst wenn die nicht personifizierte Mail vermutlich an Tausende von Empfängern ging).

Geradezu nüchtern klang im Vergleich dazu eine Mail, in der mir ein „renommierter, führungserfahrener BusinessCoach“ ein kostenloses „Online-Leadership-Coaching“ anbot. Leider stelle ich beim Lesen der Mail jedoch fest: Dieses Angebot gilt nur für „Inhaber und Geschäftsführer von Unternehmen mit mindestens 20 Mitarbeitenden“. So viele Mitarbeiter habe ich leider (oder zum Glück) nicht. Also löschte ich die Mail.

Beratungsleistungen sind keine Konsumgüter und „Schnelldreher“

Für alle vorgenannten Mail-Schreiber gilt: Sie haben nicht verstanden, dass das Vermarkten von Bildungs- und Beratungsleistungen – oder allgemein formuliert „immateriellen, persönlichen Dienstleistungen“ – anders funktioniert als der Verkauf von solchen Konsumgütern wie Pommes mit Mayo und belegten Brötchen, Klamotten und Schminke.

Dies gilt insbesondere für einen im B2B-Bereich tätigen Berater aus Baden-Württemberg, der Unternehmen „für alle bis zum 31. Dezember 2024 gebuchten „Changesowie Führungskräfte- und Teamentwicklungsprojekte“ einen Preisnachlass von 50 Prozent gewährt. Dieser Anbieter

- hat entweder „null“ verstanden, was er verkauft, oder

- kämpft schlicht ums Überleben.

Dann hat er in der Vergangenheit vermutlich schon vieles falsch gemacht.

Berater bzw. Dienstleister haben oft keine Marktbearbeitungsstrategie

Insgesamt kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren: Solchen Dienstleistungsanbietern wie Beratern, Trainern, Coaches stehen heute zwar so viele Marketingtools wie noch nie zur Verfügung; trotzdem (oder gerade deshalb) fällt es vielen von ihnen jedoch zunehmend schwer, für sich und ihre Organisation eine

Marktbearbeitungsstrategie zu entwickeln, die

- zunächst einmal die Aufmerksamkeit ihrer Zielkunden weckt und

 - diese dann Schritt für Schritt zur gewünschten Kaufentscheidung führt.

Ansonsten würden nicht so viele im B2B-Bereich tätige Dienstleister solche Verzweiflungsaktionen wie die oben geschilderten starten, die ihren Zielkunden letztlich nur signalisieren: „Dieser Anbieter kämpft entweder ums Überleben oder er hat – da er so hohe Preisnachlässe gewährt – seine Preise nicht sauber kalkuliert.“ Beides weckt bei den Zielkunden kein Vertrauen!

Gastbeitrag von Bernhard Kuntz, Inhaber der PR- und Marketing-Agentur Die PRofilBerater, Darmstadt.