„Es geht immer weiter!“

26.04.2023

Was interessiert den Finanz- und Versicherungsvertrieb aktuell? Darüber sprach finanzwelt beim Expertinnen-Roundtable mit Alexandra Markovic-Sobau, Vertriebsleiterin der Hallesche Krankenversicherung a. G., Tanja Bender, Head of Branch beim Asset Manager Candriam, und Gabriele Radl, selbständige Beraterin mit der FIS Finanz- und Invest-Services GmbH und Vorstand bei den Finanz-FachFrauen e. V.

finanzwelt: Sie kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Finanzbranche, doch Sie alle eint das Thema Vertrieb. Vor welchen Herausforderungen steht dieser aktuell? Was treibt die Branche Ihrer Meinung nach am meisten um?

Alexandra Markovic-Sobau» Es gibt mehrere Herausforderungen, die in Verbindung zueinanderstehen: Kundenorientierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Schwer zu sagen, was die größte Herausforderung davon ist, zumal vieles erst im Entstehen ist. Ein großes Thema ist der Modernisierungsbedarf, wie beispielsweise die Digitalisierung der Kundenberatung. Wichtig ist, keine Trends zu verpassen. Vieles steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Die Versicherungsbranche ist sich der Herausforderungen bewusst. Es mangelt also nicht an Erkenntnis, sondern an der Umsetzung, besonders in Bezug auf die Geschwindigkeit. Durch Krisen, die auch Kunden betreffen – die Inflation oder die mangelnde Zukunftsfestigkeit des gesetzlichen Altersvorsorgesystems – sind die Menschen zusätzlich verunsichert. Es gibt viele Lösungsvorschläge von Politik und Verbänden, aber keine handfesten Umsetzungen. Die Vermittler müssen in der Beratung viele Unsicherheiten einkalkulieren.

Gabriele Radl» Ich sehe es von der Beraterinnen- bzw. Endkundenseite. Ich finde in den letzten Jahren hat sich sehr viel getan, was das Thema Digitalisierung angeht, da haben wir einen Riesensprung gemacht. Bei uns liegen kaum noch Akten im Schrank.

Markovic-Sobau» Die liegen bei uns, bei den Versicherern (lacht). Wir sind bei der Digitalisierung von Akten schon weit gekommen, in den Büros der Mitarbeiter gehören Aktenschränke auch der Vergangenheit an. Nur die Digitalisierung von Archiven, die dauert mitunter.

Radl» Umso kleiner ein Team ist, wie bei uns, umso effizienter müssen die Arbeitsabläufe sein, um überhaupt diese Menge bewerkstelligen zu können. Wir versuchen auch, unseren Kunden Digitales näherzubringen. Einige sind sehr offen, unabhängig von Alter und Geschlecht, andere wiederum wollen analog bleiben. Die wird es auch immer geben. Ich denke, besonders junge Menschen haben einen Hang zum Digitalen, weil sie damit aufgewachsen sind. Das persönliche Gespräch ist aber nach wie vor durch nichts zu ersetzen. Das habe ich besonders in der Corona-Zeit bemerkt. Ich denke, es wird immer einen Mix geben. In den nächsten Jahren werden wir aber zunehmend digitaler werden. Eine gewisse Trägheit auf Seiten der Versicherungen habe ich aber auch schon bemerkt.

Markovic-Sobau» Digitalisierung ist für uns Versicherer immer ein Spagat zwischen Datenschutz und Kundenorientierung. Gerade bei einem Krankenversicherer wie der Hallesche sind die Gesundheitsdaten besonders schützenswert. Angehörige dürfen z. B. nicht die Gesundheitsgeschichte einsehen, selbst wenn es sinnvoll oder sogar notwendig wäre, etwa wenn der Versicherte krankheitsbedingt stark eingeschränkt ist. Die vermeintliche Trägheit der Versicherer ergibt sich häufig aus dem Spannungsfeld anderer schützenswerter Güter.

» Es gibt mehrere Herausforderungen, die in Verbindung zueinanderstehen: Kundenorientierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Schwer zu sagen, was die größte Herausforderung davon ist, zumal vieles erst im Entstehen ist. «

» Digitalisierung ist für uns Versicherer immer ein Spagat zwischen Datenschutz und Kundenorientierung. «

− Alexandra Markovic-Sobau

Tanja Bender» Insgesamt ist die Digitalisierung für uns alle ein Riesenthema. Im Fondsbereich spielen dabei besonders Daten bzw. Datenverarbeitung und Transparenz eine große Rolle. Investoren wollen eigentlich nichts anderes sehen als korrekte Daten. Ein weiterer Trend ist natürlich das Thema Nachhaltigkeit. Obwohl dies an der einen oder anderen Stelle sehr inflationär besprochen wird. Der Branche wird die Hauptverantwortung für eine Nachhaltigkeitswende auferlegt. Im Asset Management-Vertrieb, aber auch allgemein im Vertrieb sehen wir außerdem einen klaren Nachwuchsmangel als Herausforderung.

finanzwelt: Stichwort Nachwuchsmangel, dieser betrifft die ganze Branche. Was kann man dagegen tun?

Bender» Wir müssen uns fragen: Woher kommen wir, wo wollen wir hin und welche Menschen brauchen wir? Wir tun uns definitiv schwer, Nachwuchs zu finden. Das liegt vielleicht auch daran, dass wir Jahrzehnte lang dasselbe gemacht haben. Als Industrie insgesamt waren wir nicht wirklich fortschrittlich. Jetzt müssen wir richtig schuften, um gute Leute zu gewinnen. Und auch die Frage nach der Gewichtung Männer / Frauen: Wir denken, heutzutage sollten es 50 % Frauen sein. Das sollte der Trend sein, aber im Moment ist es aus meiner Sicht noch keiner – zumindest in dem Bereich, in dem ich unterwegs bin.

» Es muss gar kein Trend sein, es muss Normalität sein.«

− Tanja Bender