Die Merz-Rente – ein Faktencheck
05.12.2018
Reinhard Panse, CIO von HQ Trust / Foto: © HQ Trust
Die Einwände der Wissenschaftler
Der Einwand mehrerer Wissenschaftler, es gäbe keinen Grund, bestimmte Anlageformen zu begünstigen ist sachlich falsch, da Aktien historisch Renten in allen 30-Jahres-Zeiträumen seit dem Jahr 1900 (mit Ausnahme des Zeitraums 1985 bis 2015, als die Zinsen in Richtung null Prozent sanken) immer um durchschnittlich mehr als 4% p.a. übertroffen haben. Nach Zeiten hoher Staatsverschuldung, also nach 1945, lag der 30-Jahres-Renditevorsprung von Aktien gegenüber Renten sogar bei 7 % p.a..
Auch die aktuellen Bewertungen von Renten (in allen Industrieländern völlig überteuert und bonitätsschwach) und Aktien (in den meisten Industrie- und Schwellenländern normal bewertet) spricht mit hoher Signifikanz für deutliche Überrenditen von Aktien gegenüber Renten in den nächsten Jahrzehnten. Und das Beste ist, dass sich der Besitzer von Anteilen eines weltweiten Aktienfonds nicht einmal mehr Gedanken darüber machen muss, ob der Euro überlebt. Langfristig sind Währungskrisen für Aktienanlagen irrelevant, für Rentenanlagen dagegen oft katastrophal.
Andere Experten fordern, die bestehenden Systeme zu überarbeiten. Ließen wir diese Überarbeitung von schwedischen Politikern durchführen, wäre ich damit einverstanden. Deren Erkenntnisse bei der Einführung der kapitalgedeckten Altersvorsorge waren erstens: Die von der Fondsindustrie angebotenen Anlageprodukte müssen besonders kostengünstig sein, was in Deutschland nicht der Fall ist, weswegen Riester-Sparen allmählich ausstirbt. Zweitens kamen die Schweden auf die Idee, für alle Anleger, die sich weder für eine Anlageform noch für einen Anbieter entscheiden können, einen kostengünstigen Staatsfonds anzubieten. Nachdem sich die zuständigen Beamten sachkundig gemacht hatten, war ihnen klar, dass der Fonds weitgehend (zu ca. 90%) auf internationale Aktien setzen muss, um gute Erträge zu erzielen. Doch da unsere Politiker schon an diesen beiden offensichtlichen Punkten – günstige Kosten und Schwerpunktanlage Aktien – scheitern, fürchte ich, wird das nichts mit der Nachbesserung. Der schwedische AP7-Fonds ist anders als Riester jedenfalls für die schwedischen Sparer ein großer Erfolg mit hohen Renditen.
Der Einwand von Wissenschaftlern und Politikern, keine speziellen Steuervorteile für eine aktienbasierte Altersvorsorge zu gewähren, scheint zunächst nachvollziehbar. Wenn man jedoch die Tatsache bedenkt, dass die in den nächsten Jahrzehnten absehbaren Rentenkürzungen nur noch mit hochrentierlichen kapitalgedeckten Modellen noch abgefangen werden können, aber speziell die deutschen Sparer eine besondere Furcht vor Aktien haben, die als einzige Anlageform langfristig die nötige Rendite und Sicherheit erwirtschaften werden, man muss der Staat mit hohem Nachdruck seine bisherigen Versäumnisse nach schwedischem Vorbild wiedergutmachen. Das bedeutet:
1. Besondere Steuervorteile bis zu einem zu definierenden Höchstbetrag (z.B. € 1.000 pro Monat und Sparer) für einen massiv aktienlastigen Fonds. Ein bayerischer Finanzminister sagte einmal, in Deutschland sei der Steuersparantrieb größer als der Fortpflanzungstrieb. Also kann man mit Steueranreizen die Folgen der zu geringen Fortpflanzung bekämpfen.
2. Praktisch Kostenfreiheit zur weiteren Steigerung der Rendite, indem der Staat die Verwaltung übernimmt oder einen oder mehrere renommierte Anbieter der Finanzindustrie bittet, das Produkt kostenfrei anzubieten. Das könnte manch einem Anbieter durchaus als attraktive Möglichkeit erscheinen, seinen Ruf aufzubessern. In diesem Punkt könnte Friedrich Merz seinen Vorschlag konkretisieren und auch den letzten Einwand entkräften, er fordere „quasi Steuervorteile für seine Firma“ (SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach).
Insgesamt wäre es wünschenswert, dass die Politik endlich beginnt, mit Blick auf den allgemeinen Wohlstand und die politische Stabilität in unserem Land alle Vorschläge zur Verbesserung der Altersvorsorge der Bevölkerung sachlich zu prüfen, was erkennbar im Falle des Aktien-Altersvorsorgefonds von Friedrich Merz nicht gemacht wurde.
Kolumne von Reinhard Panse, CIO von HQ Trust