Das sind die Erfolgsfaktoren erfolgreicher Ökosysteme

22.07.2019

Foto: © Digital Insurance Agenda

Von Unternehmen wie DarkTrace und Black Insurance geht eine große Inspiration aus. Wie wichtig sind InsurTech-Firmen für die Entwicklung von Plattformen und Ökosystemen?

Reza: “InsurTech-Firmen helfen unserer Industrie, auf ein wichtiges Bedürfnis zu reagieren – das Bedürfnis und die Notwendigkeit, die Versicherung als Kundenerfahrung zu verbessern. Mithilfe von Partnerschaften mit InsurTech-Firmen können traditionelle Versicherungsunternehmen die Innovation in ganz neue Richtungen fördern und beschleunigen. Die Versicherungsindustrie, und das gilt für das gesamte Ökosystem aus traditionellen Versicherern und Startups, sollte sich bewusst machen, welches die zentralen Aspekte sind, die wir als Industrie unseren Kunden bieten sollten. Auf Basis dieser Überlegung sollte man versuchen, das Angebot des gesamten Ökosystems auf synergetische Weise zu verbessern. Das kann jedoch riskant sein, nämlich wenn Versicherungsunternehmen Allianzen mit externen Partnern als Alternative zur Investition in interne Qualifikationsvielfalt betrachten – insbesondere in Bereichen, die für sie von strategischer Bedeutung sind, zum Beispiel maschinelles Lernen und Design.”

[caption id="attachment_115298" align="alignnone" width="700"] Foto: © Digital Insurance Agenda[/caption]

Einer der Hauptreferenten auf dem jüngsten Event, DIA Amsterdam, Bibop Gresta, Mitgründer und Chairman von Hyperloop Transportation Technologies, erwähnte, dass der Aufbau eines Ökosystems – einer Gemeinschaft von mehr als 600 leidenschaftlich engagierten Profis und Organisationen in mehr als 40 Ländern – der zentrale Erfolgsfaktor gewesen ist, der Hyperloop ermöglicht hat, ein breites Spektrum an disruptiven technologischen Durchbrüchen zu erzielen.

Reza: “Ja, das ist auch ein Teil meiner Rolle, der einen erheblichen Anteil meiner Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt. Es ist für uns sehr wichtig, dass wir uns die Tatsache bewusst machen, dass all die positiven Dinge, über die wir sprechen – der Wandel der Versicherungsindustrie, die branchenübergreifende Innovation, die Zusammenarbeit mit InsurTechs – gemeinsam haben, dass wir sie als Industrie traditionell nie gemacht haben. Die unmittelbare Implikation ist, dass wir ganz andere Leute brauchen, nicht im Hinblick auf die fachlichen Kompetenzen, sondern im Hinblick auf die Fähigkeit, weit über den Tellerrand zu blicken. Jemand mit einem unverstellten Blick kann das Versicherungsgeschäft ganz anders betrachten. Diese unkonventionelle Sichtweise, die eine entsprechend qualifizierte digital geprägte Nachwuchskraft in die Versicherungsindustrie einbringt, ist von unschätzbarem Wert. Diese Talente werden bisher von Unternehmen wie Google und Amazon und den erfolgreichen Startups dieser Welt abgeschöpft. Das ist ein ganz harter Wettbewerb.”

Für den Aufbau von Ökosystemen brauchen Sie ganz andere Leute, weil das andere Fähigkeiten voraussetzt …

Reza: “Der Aufbau von Ökosystemen ist eine grundlegendere Herausforderung, als manche glauben. Nur weil ein Supermarkt eine Website hat, ist er noch lange kein digitales beziehungsweise ein Technologieunternehmen. Das gilt auch für unsere Industrie. Mit dieser Herausforderung ist weitaus mehr verbunden. Nehmen wir zum Beispiel die Ökosysteme im Gesundheitsbereich. Damit ein solches Ökosystem entstehen kann, müssen rund um die medizinische Wisssenschaft andere Dinge gruppiert werden. Die Medizin selbst beinhaltet zahlreiche profunde Disziplinen, zum Beispiel Genetik, bildgebende Verfahren, heterogene Datenanalyse, Kardiologie, Neurologie – die Liste lässt sich endlos fortsetzen. Außerdem müssen Sie die finanzielle Seite der Renten-, Lebens- oder Krankenversicherung verstehen. Und darüber hinaus müssen Sie auch die Nutzer verstehen. Wenn das, was wir an der Schnittstelle von Finanzen und Medizin machen, am Ende keine Lösung für ihre Probleme bietet, ist das eine Verschwendung von Zeit und Ressourcen.”

Welche Rolle sollten Versicherungsunternehmen Ihrer Meinung nach in einem Ökosystem einnehmen? Wenn wir Führungskräften von Versicherungen diese Frage stellen, variieren die Antworten von “Gesamtsteuerung übernehmen” über “sich darauf beschränken, Knotenpunkt zu sein” bis zu der Meinung, “sich von Ökosystemen fernzuhalten.”

Reza: “Es ist schwer, eine allgemeingültige Antwort zu geben. Ich glaube, als Versicherungsunternehmen sollten Sie davon überzeugt sein, eine zentrale Rolle zu spielen. Ökosysteme gelten als maßgebliche Disruptoren – Kunden wollen sie, Führungskräfte verstehen sie; warum passiert es also nicht? Ich glaube, dass die richtigen Nachwuchskräfte der Schlüssel sind. Das Zweite ist der Marktwettbewerb. Tesla ist ein gutes Beispiel. Ich glaube nicht, dass sich Tesla zurücklehnt und darauf wartet, dass ein Versicherungsunternehmen auftaucht und sagt: ´Dieses Mobilitäts- Ökosystem ist meins, und ich akzeptiere, dass Tesla und GM daran teilnehmen.´ Davon abgesehen befinden sich Versicherungsunternehmen ganz allgemein betrachtet, in einer einzigartigen Position, weil ihre Rolle im Ökosystem reguliert ist und ihnen auf einzigartige Weise zugeteilt wird. Als Folge sollten sie diese Position nutzen, um darauf aufzubauen und sie zu expandieren.”

Welche Erkenntnisse würden Sie in Bezug auf die Entwicklung und Pflege von Ökosystemen gerne teilen?

Reza: “Der zentrale Erfolgstreiber für Ökosysteme wird die Software sein – mit Verweis auf Mark Andreessens berühmten Satz, dass ´Software die Welt frisst¨. In den letzten Jahren haben wir erlebt, dass Software ohne KI, entweder als integraler Bestandteil oder als Teil einer Zukunftsvision, bedeutungslos ist. Daher ist es sinnvoll, Designer, Wissenschaftler und Ingenieure in einer frühen Phase der Entwicklung solcher Systeme zusammenzubringen. Allzu oft verharren verschiedene Gruppen innerhalb eines Unternehmens in einer traditionellen Denkhaltung, die sich streng innerhalb der Grenzen ihrer Kerndisziplin bewegt. Eine Datenstrategie, zum Beispiel, wird höchstwahrscheinlich ausschließlich von der IT-Abteilung entwickelt, wohingegen die maßgeblichen Ausgangspunkte folgendermaßen lauten sollten: Warum sammeln wir die Daten? Für wen erbringen wir in diesem Ökosystem eine Dienstleistung? Welche neuen Datenströme sollten wir unterstützen? Welche zusätzlichen Daten brauchen wir, falls wir für einige der Kontaktpunkte KI verwenden? Wird die Plattform so konzipiert sein, dass sie sich schnell an notwendige Veränderungen anpassen lässt? Das sind alles Gründe, aus denen es ratsam ist, andere Disziplinen frühzeitig einzubinden. Wie ich zuvor schon sagte, ist Software ohne KI heute kaum noch vorstellbar. Daher müssen auch KI-Wissenschaftler von Anfang an dabei sein. Und da alles die Erwartungen der Nutzer erfüllen muss, brauchen Sie auch einen UX-Experten, der seinen Beitrag leistet, indem er sagt, ´Wir müssen diese Kundenerfahrung steuern´ oder ´Diese Nutzererfahrung könnte hier und dort besser sein als KI, daher sollten wir vielleicht anfangen, diese und jene Daten zu sammeln.´ Die Entwicklung von Software für Ökosysteme mit den richtigen KI-Anwendungen erfordert einen interdisziplinären Denkansatz auf höchstqualifizierter Ebene. Für mich ist das die zentrale Erkenntnis. Ohne diese interdisziplinäre Mentalität bleibt alles andere in einem Unternehmen graue Theorie.”

Info: Am 20. und 21. November macht die Digital Insurance Agenda in München Station. Mit dem Code DIA200FINWELT erhalten Leser der finanzwelt 200 Euro Rabatt.