Darf ein Versicherungsmakler mit „neutral und unabhängig“ werben?
17.06.2020
Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Parnterschaft mbB / Foto: © Jöhnke und Reichow Rechtsanwälte
Das OLG München hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein Versicherungsmakler mit Mehrheitsbeteiligung einer Versicherung mit „neutral und unabhängig“ werben darf (OLG München v. 16.1.2020 – 29 U 1834/18)/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2020-N-3146?hl=true&AspxAutoDetectCookieSupport=1))
Der Sachverhalt vor dem OLG München
Die beklagte Gesellschaft verfügt - unter anderem - über eine Erlaubnis als Versicherungsmaklerin nach § 34 d Absatz 1 GewO. Ihre Anteile werden zu 100 % von einer Lebensversicherung gehalten. Im Rahmen ihrer Werbung weist die Beklagte auch auf diesen Umstand hin, warb jedoch auch mit der folgenden Aussage: „Unabhängigkeit und Neutralität – wir sind unseren Kunden verpflichtet und vertreten ausschließlich deren Interessen.“
Die Klägerin verfügt ebenfalls über eine Erlaubnis als Versicherungsmaklerin nach § 34 d Absatz 1 GewO und vertritt die Ansicht, dass die Beklagte (1) nicht als Versicherungsmaklerin auftreten dürfe, da dieses wegen ihrer 100 %igen Tochterstellung der Versicherung widersprüchlich sei und einen Interessenkonflikt darstelle. (2) Der werbliche Auftritt der Beklagten mit „unabhängig und neutral“ sei irreführend.
Die Entscheidung des OLG München
Das OLG München gab der Klage nur teilweise statt:
(1) Zwar sei der Auftritt eines Versicherungsmaklers, welcher über eine entsprechende Erlaubnis nach § 34 d Abs. 1 GewO verfüge, zulässig, denn es liege nun mal eine entsprechende gewerberechtliche Erlaubnis tatsächlich vor. Ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 UWG sei auch nicht deshalb gegeben, nur weil an dem Versicherungsmakler eine Mehrheitsbeteiligung eines Versicherers bestehe. Die Zulässigkeit des Auftritts als Versicherungsmaklers könne nicht davon abhängig gemacht werden, dass mehr als 50 % der Anteile von einem Versicherer gehalten werden. Dies käme einer Marktzugangsvoraussetzung gleich, für die es jedoch keine rechtliche Grundlage gebe. Dies ergebe sich auch daraus, dass nach § 15 Abs. 1 Nr. 11 VersVermV über Beteiligungen von Versicherungsunternehmen von über 10 % gerade aufzuklären ist. Der Gesetzgeber gehe also davon aus, dass Versicherungsunternehmen an Versicherungsmaklern Beteiligungen halten, und sehe gleichwohl keine Notwendigkeit, diese der Höhe nach zu beschränken.
(2) Das OLG sah jedoch die Werbung der beklagten Versicherungsmaklerin mit „neutral und unabhängig“ als irreführend an, da diese werblichen Aussagen dazu geeignet sind, die angesprochenen Verkehrskreise über die Beteiligungsverhältnisse zu täuschen. Es bestehe damit die potentielle Gefahr, dass sich die beklagte Versicherungsmaklerin nicht nur von den Interessen der Kunden, sondern auch von denen des Versicherers leiten lasse. Die Werbung eines Versicherungsmaklers, der über diese Abhängigkeit täusche, erhöhe damit seine Attraktivität, so das OLG. Irrelevant sei auch die Tatsache, dass die Beklagte auf ihrer Webseite über die entsprechend Beteiligungsstruktur aufkläre, da nicht zwingend davon ausgegangen werden könne, dass der von der isoliert aufgestellten Werbebehauptung angesprochene Verkehr die an anderer Stelle gemachten Ausführungen zu den Beteiligungsverhältnissen zur Kenntnis nehme.
Was das Urteil für die Praxis bedeutet, lesen Sie auf Seite 2