Bloß nicht in Angst erstarren!
23.04.2025

finanzwelt-Redakteur Stefan Gehrke, Stefan Schmitt, Matthias Wulfers, Thomas Buchholz, Matthias Mohr und finanzwelt- Chefredakteur Alexander Heftrich (v.l.n.r.)
Buchholz: Wir bilden Markttrends in unseren mehr als 160 Fonds, ETFs und aktiv gemanagten exklusiven Portfoliolösungen ab, aus denen Kunden und Geschäftspartner nach Assetklassen, Regionen, Sektoren und Nachhaltigkeitspräferenzen auswählen können. Großes Thema für Kunden ist hier die lebenslange Flexibilität der Lösung – bis in die Rentenphase hinein. Shiften und Switchen ist sowohl in der Ansparzeit als auch in der Rentenphase unbegrenzt und kostenfrei möglich. Ebenso ermöglichen wir Zuzahlungen, Auszahlungen und sogar einen monatlichen Auszahlplan.
finanzwelt: Hat denn das Thema Nachhaltigkeit in Zeiten wie diesen noch die gleiche Bedeutung wie vor wenigen Jahren?
Wulfers: Medial nicht mehr, weil es von anderen Entwicklungen überlagert wurde. Aber wir stellen fest, dass Nachhaltigkeit für gewisse Kundengruppen weiterhin ein ‚Hygienefaktor‘ ist. Es muss als Investment funktionieren. Das war schon früher so: Wenn ich etwas Gutes tun will, kann ich auch an eine gemeinnützige Organisation Geld spenden, wenn ich im Spitzensteuersatz liege, bekomme ich 42 % bis 45 % zurück. Aber wenn ich das als Geldanlage zum Beispiel für meine Altersvorsorge nutzen möchte, muss das anders funktionieren. Wenn man einen vergleichbaren Ertrag mit einem konventionellen Produkt oder einem nachhaltigen Produkt erzielen kann, dann gibt es mittlerweile eine signifikant große Kundenschicht, die lieber das Nachhaltigkeitsprodukt wählt.
Schmitt: Da widerspreche ich ein bisschen. Durch die Brille eines Vermögensverwalters erleben wir, dass das ganze Thema ESG stark durch die UmweltDiskussion getrieben wurde. Unseren Kunden geht es eher um die Bereiche Soziales und Governance. Es fällt uns relativ schwer, das im Portfolio abzubilden. Das Umweltthema ist das ehemals Gehypte, das jetzt in den Medien ein wenig verschwindet. Kunden sagen: Eigentlich wollen wir nachhaltig sein, aber wir wollen nicht nachhaltig investieren. 99,5 % der Kunden lehnen die nachhaltige Investition ab. Eine echte ESG-Strategie abzubilden, ist für uns als Vermögensverwaltung unmöglich, weil wir an die entsprechenden Basisdaten nicht herankommen. Wir können nicht wie ein Infrastrukturanbieter oder ein Fondsanbieter agieren.
finanzwelt: Wie ist das bei der Capital Group? Sie sind ein global aufgestelltes Haus mit entsprechenden Ressourcen.
Mohr: Wir haben die nötige Infrastruktur über die letzten Jahre aufgebaut, sind jetzt mit einem großen und qualifizierten Team im Nachhaltigkeitsbereich tätig. Wenn ich auf meine Kunden und Partner blicke und mal einen Querschnitt ziehe, muss ich allerdings auch sagen, dass das Thema deutlich ruhiger geworden ist als vor zwei, drei Jahren. Andere Themen wie die teilweise hohe Inflation und die geopolitische Lage dominierten das Geschehen und Anlageverhalten. Natürlich gibt es bei Privatanlegern sozusagen einen ‚harten‘ Kern, denen Nachhaltigkeit viel bedeutet und die es entsprechend in ihren Portfolios integrieren. Doch der Hype ist erstmal vorbei.
finanzwelt: Zum Schluss unseres Gesprächs würden wir gerne noch zwei, drei Ratschläge erfahren, die Sie den Investoren mit auf den Weg geben würden.
Mohr: Investieren und investiert bleiben! Nicht das kurzfristige Tagesgeld suchen. Langfristig denken. Wir sind davon überzeugt, dass langfristige Anlagen in Aktien und Anleihen entscheidend sind, damit Investoren ihre finanziellen Ziele erreichen können.
Schmitt: Seiner Strategie treu bleiben, für die man sich ursprünglich entschieden hat. Viele handeln jetzt bei Marktkorrekturen wieder irrational, verkaufen zum Tiefpunkt und lösen ihre Verluste oder vernichten dadurch ihren potenziellen Gewinn. Man muss mit ruhiger Hand eine Vermögensverwaltung steuern, deshalb sollte man sich ein ganz klares Risikomanagement einkaufen.
Buchholz: Zusätzlich würde ich noch ergänzen: Für den Vermögensaufbau bedarf es professioneller Unterstützung. Kunden sollten sich einen unabhängigen Berater suchen. Dieses ‚emotionale Coaching‘ ist entscheidend. Und im Zweifelsfall auch ruhig mal in die Vergangenheit blicken und dort Charts zu verschiedenen Krisen und aus unterschiedlichen Phasen analysieren.
Wulfers: Mein Ratschlag: Bei langfristigen Themen wie Altersvorsorge nicht zu sehr von aktuellen politischen Entwicklungen verunsichern lassen! Das trübt mitunter den Blick. Also egal, was die Politik beschließt, und egal, was morgen passiert: Wenn ich meine Altersvorsorge in 30 Jahren lösen will, dann muss ich jetzt anfangen, mich zu entscheiden. Vielleicht muss ich mal nachschärfen, vielleicht die ein oder andere Entscheidung korrigieren. Aber ich darf nicht in Angst erstarren. (ah/sg)

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