Bloß nicht in Angst erstarren!
23.04.2025

finanzwelt-Redakteur Stefan Gehrke, Stefan Schmitt, Matthias Wulfers, Thomas Buchholz, Matthias Mohr und finanzwelt- Chefredakteur Alexander Heftrich (v.l.n.r.)
Politische Unsicherheiten, globale Krisen, die Weltwirtschaft in der Rezession: Wie können Finanzmarktakteure mit Projekten und Produkten, Technologie und Transformation den Kurs halten und Kunden/Vermittler überzeugen? Zu einem RoundtableGespräch zum Thema „Innovationen & Strategien“ begrüßte die finanzweltRedaktion Mitte März versierte Branchenkenner in Wiesbaden. Matthias Mohr, Managing Director Finanzintermediäre D/AUT, Capital Group, Thomas Buchholz, Experte Altersvorsorge/Investment, LV 1871, Matthias Wulfers, Leiter Vertriebsdirektion Mitte, die Bayerische und Stefan Schmitt, Geschäftsführer INNO INVEST GmbH, sprachen über herausfordernde Zeiten.
finanzwelt: Die aktuellen Schlagzeilen sorgen für enorme Unruhe und erhöhte Volatilität an den Märkten. Russland lehnt Waffenruhe ab, Trump hält eine Rezession für nicht unwahrscheinlich, der NASDAQ liegt bei unter 20.000 Punkte. Zeichen einer relativ unsicheren Gemengelage. Das bewegt nicht nur die Menschen, sondern auch die Anleger. Wie schätzen Sie mit Ihrer Marktkenntnis die aktuelle Situation ein?
Stefan Schmitt: Jedes Jahr veröffentlichen wir bei INNO INVEST im Januar unseren Börsenausblick. Damals hatten wir den DAX mit 22.500 Punkten zum Jahresende eingeschätzt, also einem Plus von knapp 12,5 %. Da sind wir jetzt schon angelangt. Aufwärtspotenzial sahen wir auch im US-Markt und sind nun ein bisschen überrascht worden durch die höhere Volatilität. Wir hatten zwar mit ‚Musk-Noise‘ und ‚Trump-Noise‘ gerechnet, mussten dann aber dochmit höheren Cashquoten reagieren. Ich glaube, das 1. Halbjahr wird weiter von hoher Volatilität geprägt sein. Negative Meldungen aus den USA könnten bewirken, dass die dortigen Indizes nochmal deutlich sinken könnten. Darauf gilt es, sich als Asset Manager einzustellen und entsprechend zu positionieren. Wir haben bis jetzt eine solide Performance hingelegt und weniger verloren als der Gesamtmarkt.
finanzwelt: Herr Mohr, Sie sind seit mehreren Jahren bei der Capital Group und Kenner der Finanzszene. Teilen Sie diese Einschätzung?
Matthias Mohr: Ja und nein. Auch wir sind in unserem Marktausblick für 2025 davon ausgegangen, dass es Veränderungen geben wird und dass die Volatilität steigt. Ich glaube, dass die Rally der US-Werte, die wir insbesondere in den vergangenen Jahren gesehen haben, ein wichtiges Thema bleibt. Die Veränderungen, die Trump umsetzen wollte, wurden zunächst positiv bewertet. Nun tritt eine gewisse Ernüchterung ein, es gibt Verunsicherung, weil keine Stabilität, keine Klarheit bei den Entscheidungen des Präsidenten vorliegen. Unsere Basisannahme gilt jedoch nach wie vor: Die USA kann die Lokomotive der Weltwirtschaft sein. Gleichwohl ist es augenscheinlich, dass Sand im Getriebe ist und dass die bis dato robuste US-Wirtschaft in raueres Fahrwasser gelangen könnte. Selbst Trump schließt eine wie auch immer geartete Rezession nicht mehr aus. Das haben wir bislang nicht wirklich gesehen für dieses Jahr. Man fährt also auf Sicht, was den US-Markt angeht. Ich möchte aber betonen, dass wir bei der Capital Group immer den längerfristigen Blick und die Trends im Auge haben und uns dementsprechend positionieren.
finanzwelt: Herr Buchholz, als Experte für Investment und Altersvorsorge bei der LV 1871: Registrieren auch Sie eine Verunsicherung in der Branche unter Ihren Kunden und Geschäftspartnern?
Thomas Buchholz: Wenn wir über das Altersvorsorgesparen sprechen, so stellen wir in den repräsentativen Umfragen für unseren ‚Financial Freedom Report‘ fest: Mehr als die Hälfte der Befragten ist verunsichert, gerade bei dem Gedanken an die persönlichen Finanzen. Gleichzeitig ist aber auch zu sehen, dass nur knapp 20 % der Befragten professionelle Finanzberatung in Anspruch nehmen. Bei der Generation Z, also die 18- bis 28-Jährigen, sind es sogar nur 8 %. Interessanterweise besteht aber seit Jahren wie in Stein gemeißelt der Wunsch, mit 60 in Rente zu gehen, wofür aber die einzelnen Menschen relativ wenig tun wollen. Als Lebensversicherer sehen wir längerfristig auf finanzielle Entwicklungen. Mit dieser Erfahrung können wir feststellen: Ja, wir leben in unsicheren Zeiten. Doch diese Phasen hat es in der Geschichte immer wieder gegeben. Denken Sie beispielsweise an die Banken- und Eurokrise. Große Herausforderungen, die aber mit gemeinsamen Anstrengungen aller Beteiligten gemeistert wurden. Und diese positive Botschaft möchte ich den Kundinnen und Kunden mit auf den Weg geben. Die Welt wird sich weiterdrehen, die Finanzwelt wird überleben und es liegt an uns, mit den Kunden in Kontakt zu treten und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
finanzwelt: Verunsicherungen haben hierzulande ja auch immer etwas mit der ökonomischen Lage zu tun. Mit Blick auf die zukünftige Bundesregierung: Welche Hoffnungen haben Sie? Es wurde ja auch mal ein Altersvorsorgepaket letztes Jahr in Erwägung gezogen. Wie sehen Sie unser Land insgesamt positioniert?
Buchholz: Auch hier kann man aus den letzten 200 Jahren Börsengeschichte etwas lernen: Diversifikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Genau dafür braucht es Berater, die hier die richtige individuelle Strategie mit dem Kunden erarbeiten. Dieser grundlegenden Strategie gilt es treu zu bleiben, auch in vorübergehenden Krisenphasen. Mal ist Growth sehr gefragt, dann wieder Value. Beim Thema Altersvorsorge habe ich drei Wünsche an die neue Regierung: Endlich Klartext sprechen, was die gesetzliche Rente und unser demografisches System angeht; Aktien sind die Zukunft – mit breiter Streuung und langer Laufzeit. Und an eine Lösung für die privat geförderte Altersvorsorge herangehen – möglichst früh und mit einem hohen Maß an Transparenz.
finanzwelt: Herr Wulfers, welche Wünsche haben Sie an die neue Regierung?
Matthias Wulfers: Ich hätte einen ganz großen, prominenten Wunsch: Schnell Klarheit schaffen. Wir haben ja im Sondierungspapier gelesen, dass ‚die betriebliche Altersvorsorge gestärkt werden soll‘. Das ist so ein Satz, der sich gut liest. Allerdings stellt sich jeder etwas anderes darunter vor. Wir spüren schon jetzt, dass Unternehmen argumentieren: ‚Ja, wir haben da was geplant, aber den Abschluss, den machen wir jetzt noch nicht, wer weiß, was da noch folgt.‘ Wenn man jetzt noch zwei Jahre abwartet und andere Projekte rücken in den Fokus, dann wird lange nichts entstehen. Das sind dann wieder zwei verlorene Jahre – für die Mitarbeiter, für die Sparer. Im Bereich der Betrieblichen Altersvorsorge ist das für mich der dringendste Punkt – dort ist der wichtige Hebel, dort sind die größten Beträge, dort trifft es die meisten Mitarbeiter. Also: Wird die Riesterrente jetzt noch mal angepackt oder nicht? Kommt stattdessen etwas anderes? Die Menschen mögen keine Unsicherheit, im Zweifelsfall wird nichts unternommen. Deswegen sollte die neue Regierung relativ schnell kommunizieren, was sie vorhat.
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