Steilere Kurven auf breiter Front

23.04.2025

Nicolas Jullien. Foto: © Candriam

An den Anleihemärkten wurde bereits im März über Zölle gesprochen, als die Trump-Regierung die zuvor aufgeschobenen Zölle gegen Kanada, Mexiko und China einführte. Noch wichtiger für die globalen Märkte war jedoch der 2. April, den Donald Trump als „Tag der Befreiung“ ankündigte – die Bekanntgabe angeblich „gegenseitiger“ Zölle. Bereits vor der Verkündung machten sich die Anleger Sorgen über ein schwächeres globales Wachstum. Risikobehaftete Vermögenswerte gaben bereits leicht nach und die Kreditspreads weiteten sich aus. Auf der anderen Seite stiegen die Renditen im Euroraum zunächst um fast 50 Basispunkte, bevor sie nach der Ankündigung der deutschen Infrastrukturund Verteidigungsausgaben in Höhe von 1 Billion Euro von ihren Höchstständen wieder zurückgingen und Konjunktursorgen die Bedenken über ein höheres Angebot verdrängten.

Die Ankündigung der Zölle am 2. April war für die meisten Anleger ein Schock, sowohl wegen ihres Ausmaßes als auch wegen ihrer scheinbaren Willkür, die von der Trump-Regierung damit gerechtfertigt wurde, dass sie „alle Handelshemmnisse“, einschließlich der Mehrwertsteuer, berücksichtige. In der Folge gaben die Aktienmärkte weltweit nach und die Kreditspreads – insbesondere bei Hochzinsanleihen – weiteten sich deutlich aus. Die Reaktion der Zinsmärkte war eher ungewöhnlich. Die Renditen in der Eurozone hatten sich bereits im Vorfeld etwas erholt und setzten diese Entwicklung fort, insbesondere am kurzen Ende der Kurve. Im Wesentlichen wurden damit die Erwartungen an den Zeitpunkt der EZBZinssenkungen vorgezogen. In den USA gingen die Renditen für Staatsanleihen kurzzeitig zurück, danach kam es jedoch zu einem Abverkauf von US-Staatsanleihen. Die Kurven wurden auf breiter Front steiler.

Was passiert am US-Staatsanleihen-Markt?

US-amerikanische Staatsanleihen haben die schlechteste Woche seit 2019 hinter sich, was die Anleger vor ein Rätsel stellt und einige Hinweise, aber keine endgültige Erklärung liefert. US-Vermögenswerte befinden sich in einem regelrechten Ausverkauf, der sowohl den US-Dollar, Staatsanleihen als auch risikoreiche Anlagen wie Kredite und Aktien betrifft. Warum haben sich die vermeintlichen „sicheren Häfen“ Dollar und Staatsanleihen nicht erholt, während Risikoanlagen verkauft wurden? Zu den gängigen Erklärungen zählen die Liquidation von Staatsanleihen-Beständen zur Bedienung von Nachschussforderungen, das Auflösen von Futures-Basisgeschäften sowie Verkäufe durch chinesische Anleger als Vergeltungsmaßnahme – oder vielleicht auch andere Investoren, die einem möglichen chinesischen Ausverkauf zuvorkommen wollen. Wahrscheinlich ist es eine Kombination dieser und weiterer Faktoren. Außerdem lohnt sich ein Blick auf einen Faktor, der bisher wohl noch nicht als Erklärung in Frage kommt: die Inflationserwartungen. Tatsächlich sind die sogenannten Inflation Breakevens – also die Renditedifferenz zwischen nominalen und inflationsgeschützten US-Staatsanleihen – zuletzt gefallen.

Da es in der jüngeren Vergangenheit keine Erfahrungen mit Zollerhöhungen dieser Größenordnung gibt, ist es in der Tat schwierig, die Auswirkungen der Zölle auf die Inflation zu modellieren. Wir gehen jedoch davon aus, dass sie zumindest kurzfristig inflationssteigernd sein werden. Auch die Erwartungen der Verbraucher deuten auf eine höhere Inflation hin. Die sogenannten Inflations-Breakevens verhalten sich wie risikobehaftete Vermögenswerte: Sie steigen und fallen mit Aktien und Öl. Das Fehlen einer klaren Erklärung für das Verhalten der Rentenmärkte lässt viel Raum für Spekulationen darüber, ob USStaatsanleihen ihren Status als sicherer Hafen verlieren könnten. Aus unserer Sicht ist es für eine solche Einschätzung jedoch noch zu früh. Die Entwicklungen müssen genau beobachtet werden, und wir bevorzugen einen sehr vorsichtigen und taktischen Ansatz, solange diese Ungewissheit besteht.

Angesichts trüber Aussichten in der Eurozone setzen wir auf längere Laufzeiten

In der Eurozone ist das Bild deutlich klarer. Schwaches Wachstum und Disinflation waren bereits unser Basisszenario für die Währungsunion. Die neuen Zölle üben eindeutig zusätzlichen Abwärtsdruck auf Wachstum und Inflation aus. Deflationäre Tendenzen sind nicht nur wegen der schwächeren Konjunktur und Nachfrage zu erwarten, sondern auch wegen der Aufwertung des US-Dollars – normalerweise wäre eine Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar die typische Marktreaktion. Zudem könnten die extrem hohen US-Zölle dazu führen, dass Exportüberschüsse andere Verbrauchermärkte überschwemmen und die Preise dort weiter unter Druck geraten.

Vor diesem Hintergrund bauen wir unsere Long-Positionen in Euro-Staatsanleihen aus. Die Renditen liegen derzeit noch über den Niveaus, die vor der Ankündigung des deutschen Fiskalpakets zu beobachten waren. Aus unserer Sicht hat der Rentenmarkt die Rezessionsrisiken entlang der gesamten Kurve noch nicht ausreichend eingepreist. Am sehr kurzen Ende der Kurve hat bereits eine stärkere Anpassung stattgefunden, weshalb wir unser Exposure im 5-jährigen Laufzeitenbereich gezielt erhöhen.

Euro-Renditen können durch ihre relative Bewertung weiterhin unterstützt werden. Die Renditen deutscher Bundesanleihen liegen inzwischen deutlich über den Renditen währungsgesicherter USStaatsanleihen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Zinsdifferenz zwischen den USA und Europa am kurzen Ende der Kurve deutlich größer ist als am langen Ende. Die Zinsstrukturkurve in Europa ist mittlerweile deutlich steiler als in den USA, was zum Teil auf einen Anstieg der Laufzeitprämie zurückzuführen ist.

Im Einklang mit unserer Strategie, die Portfolios auf ein Szenario mit schwächerem Wachstum auszurichten, bevorzugen wir eine Umschichtung von Nicht-Kern- zu Kernländern. Daher reduzieren wir unsere Übergewichtung in Spanien und gehen zu einer Untergewichtung in Italien über. In einem „Riskoff“-Szenario erwarten wir, dass Deutschland am meisten profitieren wird. Grundsätzlich halten wir Spanien weiterhin für einen soliden Emittenten, aber die Anlegerstimmung dürfte dazu führen, dass spanische Anleihen bei einer Flucht in Qualität weniger stark steigen als deutsche.

Im Kreditmarkt gab es bereits Anpassungen, aber wir bleiben zurückhaltend

Wir haben unser Rating sowohl für Investment-Grade- als auch für High-Yield-Anleihen um jeweils eine halbe Stufe gesenkt, da das Risiko einer weiteren Spreadausweitung in beiden Sektoren deutlich zugenommen hat. Derzeit hinkt der europäische High-Yield-Markt dem US-Markt etwas hinterher, so dass die Spreads aktuell sehr ähnlich sind. Relativ gesehen bevorzugen wir weiterhin Investment-GradeAnleihen, da das Risiko von Mittelabflüssen in diesem Segment begrenzt ist, während die Anleger ihre Risiken reduzieren.

Bei Additional-Tier-1-Anleihen raten wir zu einem vorsichtigeren Ansatz, da diese Anlageklasse recht volatil sein kann. Was die Branchen angeht konzentrieren wir uns auf lokale Akteure und inländische Unternehmen, wobei wir Exporteure meiden und uns auf defensive Sektoren konzentrieren.

Hinsichtlich der Spreads sehen wir einen positiveren Ausblick für Investment-Grade-Anleihen, wenn die Spreads zwischen 140 und 150 Basispunkten liegen. Bei High-Yield-Anleihen halten wir Spreads zwischen 500 und 600 Basispunkten für attraktiver. Kurzfristig haben wir eine leichte Präferenz für europäische Hochzins- und Unternehmensanleihen, da wir erwarten, dass die Auswirkungen auf die Fundamentaldaten für US-Unternehmen und Verbraucher negativer sein werden. Dies dürfte zu einer Outperformance der europäischen Kreditmärkte führen.

Wir bevorzugen Lokalwährungsanleihen in Schwellenländern

Vor der Ankündigung der Zölle waren die Spreads extrem eng und wir hatten die Bewertungen sehr negativ eingeschätzt. Seitdem kam es zu einer deutlichen Ausweitung. Mittlerweile liegen die Spreads bei fast 400 Basispunkten – ein Niveau, auf dem die Anlageklasse historisch als attraktiv galt. Folglich sind die Bewertungsaussichten jetzt neutraler und freundlicher. Auf der anderen Seite hat sich natürlich auch das grundlegende Umfeld für Schwellenländer verschlechtert, insbesondere für Länder mit hoher US-Exposure. Allerdings könnte dieser Effekt etwas abgemildert werden, sollte die Schwäche des US-Dollars anhalten.

Für Lokalwährungsanleihen ist der Inflationsrückgang ein positiver Faktor, da er Spielraum für Zinssenkungen schafft. Viele Zentralbanken in den Schwellenländern könnten angesichts sinkender USZinsen tatsächlich die Zinsen senken, was für einige Volkswirtschaften ein wichtiger Impuls wäre. Ein weiterer stützender Faktor für die lokalen Zinsen ist die Entwicklung in China: Sollte die chinesische Wirtschaft weiterhin schwach bleiben und zusätzliche Kapazitäten auf den Weltmarkt bringen, könnte dies die globale Nachfrage dämpfen. Wir gehen davon aus, dass die Schwellenländerwährungen bei einem schwächeren US-Dollar besser abschneiden werden, bleiben aber wachsam im Hinblick auf eine mögliche Rückkehr des Dollars als „Risk-off“-Währung.

Aus unserer Sicht schafft die aktuelle Zollsituation in jedem Fall idiosynkratische Chancen. Einige Emittenten – insbesondere in Asien – sind besonders anfällig. Gleichzeitig könnten andere Länder versuchen, von der Situation zu profitieren, was zu einer Umverteilung wirtschaftlicher Kapazitäten innerhalb der Schwellenländer führen könnte.

Marktkommentar von Nicolas Jullien, Global Head of Fixed Income bei Candriam.