Berufsunfähigkeitsversicherung: Darlegung der Berufsunfähigkeit eines Schornsteinfegers (LG Leipzig)
25.11.2021
Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Parnterschaft mbB / Foto: © Jöhnke und Reichow Rechtsanwälte
Vergleichszeitpunkt zur Bemessung der Berufsunfähigkeit
Trage der Versicherte schon keine hinreichenden Tatsachen dazu vor, bis wann die behauptete Höhenangst „die Leistungsfähigkeit des Versicherten noch nicht beeinträchtigt hat“ und fehle damit der relevante Vergleichszeitpunkt zur Bemessung der Berufsunfähigkeit, könne auch kein Tätigkeitsbild, was zu diesem Zeitpunkt ausgeübt wurde, festgestellt werden, das als Vergleichszustand heranzuziehen wäre, so das LG Leipzig. Selbst wenn man die vom Kläger dargelegte Tätigkeitsbeschreibung hinsichtlich des Beginns des Jahres 2015 als maßgeblichen Vergleichszustand in gesunden Tagen für die Bemessung der Berufsunfähigkeit heranziehen würde, habe er nach Auffassung des LG gleichwohl nicht hinreichend zu seinem konkreten beruflichen Tätigkeitsbild vorgetragen.
Das LG Leipzig führt weiter aus, dass es für die Beurteilung, ob der Versicherte bedingungsgemäß berufsunfähig geworden ist, darauf ankomme, wie sich seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen in seiner konkreten Berufsausübung auswirken. Daher müsse bekannt sein, wie das Arbeitsfeld des Versicherten tatsächlich beschaffen ist und welche Anforderungen es an ihn stellt. Insoweit sei es Sache desjenigen, der den Eintritt von Berufsunfähigkeit geltend machen will, hierzu substantiiert vorzutragen und Beweis für sein Vorbringen anzutreten. Als Sachvortrag genüge dazu nicht die Angabe des Berufstyps und der Arbeitszeit, vielmehr müsse eine ganz konkrete Arbeitsbeschreibung verlangt werden, mit der die anfallenden Tätigkeiten ihrer Art, ihres Umfangs wie ihrer Häufigkeit nach für einen Außenstehenden nachvollziehbar werden.
Der Versicherungsnehmer habe darzulegen, in welchem Umfang Tätigkeiten vor Eintritt der gesundheitlichen Beeinträchtigung von ihm wahrgenommen worden sind, welche Zeit sie regelmäßig in Anspruch genommen haben und in welcher Häufigkeit sie angefallen sind, denn auch insoweit gehe es um die vom Kläger vorzutragende und zu beweisende Ausgestaltung seines konkret ausgeübten Berufes, der den Ausgangspunkt für die Beurteilung gesundheitlicher Berufsunfähigkeit bilde. Erst ein solcher vollständiger Vortrag ermögliche die Beurteilung, ob der Versicherungsnehmer den Anforderungen der konkret ausgeübten Tätigkeit in einem Ausmaß nicht mehr gewachsen ist, den der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit voraussetze.
Darüber hinaus ergebe sich aus dem Vortrag des Klägers nicht, dass Berufsunfähigkeit im Sinne der Versicherungsbedingungen beider Versicherungen vorgelegen hat. Nach dem Vortrag des Klägers führe die von ihm behauptete Höhenangst letztlich einzig dazu, dass er Tätigkeiten auf dem Dach nicht mehr ausführen könne. Von sonstigen relevanten, konkret dargelegten Tätigkeiten in Höhe, die nicht auch Dacharbeiten wären, trage er jedenfalls nichts Konkretes vor. Demnach würde es nach dem üblichen Verständnis für das Vorliegen bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit von 50% eines Vortrags des Versicherten bedürfen, der eine zuletzt in gesunden Tagen ausgeübten Tätigkeit beschreibt, die mindestens 50% Dacharbeiten umfasste. Vorliegend sei eben dies jedoch unstreitig nicht der Fall, abschließend das Landgericht.
Fazit und Hinweis für die Praxis
Die Entscheidung des LG Leipzig kann im Ergebnis überzeugen und hat hohe Relevanz für die Praxis. Sie zeigt, dass die Darlegung einer möglicherweise vorliegenden bedingungsgenäßen Berufsunfähigkeit für die Einstandspflicht des Versicherers und die Erbringung der vertraglich vereinbarten BU-Leistungen eine zentrale Rolle spielt. Demnach muss ein Versicherungsnehmer genaustens darauf achten, welche Angaben er beim Vertragsschluss und auch beim entsprechenden Leistungsantrag macht, um eine eventuelle Leistungsablehnung zu vermeiden.
Die Entscheidung zeigt damit auch, dass jeder Versicherungsfall im Rahmen einer Berufsunfähigkeitsversicherung zwingend juristisch überprüft werden sollte. Bereits zu Beginn des Verfahrens, nämlich beim Leistungsantrag, müssen die Voraussetzungen einer Berufsunfähigkeit vollständig herausgearbeitet werden.
Es ist für Vermittler und Versicherte stets von Vorteil, sich mit dem Ablauf eines typischen BU-Verfahrens mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung vertraut zu machen, bevor Leistungsansprüche geltend gemacht werden. Es ist daher sinnvoll frühzeitig anwaltliche Expertise in Anspruch zu nehmen, um etwaige Anspruchsvereitelungen bestenfalls zu vermeiden.
Autor: Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Parnterschaft mbB