Berufsunfähigkeitsversicherung: Darlegung der Berufsunfähigkeit eines Schornsteinfegers (LG Leipzig)

25.11.2021

Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht und Gewerblichen Rechtsschutz, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Parnterschaft mbB / Foto: © Jöhnke und Reichow Rechtsanwälte

Die Entscheidung des LG Leipzig

Die Klage hatte in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger stehen keine Ansprüche gegen die Beklagte auf Zahlung von (rückständigen und künftigen) Berufsunfähigkeitsrenten und Beitragsfreistellung aus den zwischen den Parteien bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherungsverträgen zu, da die Voraussetzungen der vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht hinreichend substantiiert dargelegt wurden. Selbst wenn man den Vortrag des Klägers zu seinen Gunsten als zutreffend unterstellen würde, sei eine mindestens 50%-ige Berufsunfähigkeit nicht schlüssig dargetan, entschied das Gericht. Überdies wurde auch kein hinreichender Beweis bezüglich der bestrittenen Angaben des Klägers insbesondere zur Ausgestaltung seiner Tätigkeit in gesunden Tagen angeboten.

Das LG führte aus, dass Berufsunfähigkeit nach den Versicherungsbedingungen vorliege, wenn bei Stellung des Antrags auf Versicherungsleistung abzusehen ist, dass der Versicherte infolge Krankheit, Körperverletzung, Gebrechen oder Schwäche der geistigen oder körperlichen Kräfte, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich mehr als 6 Monate außerstande sein werde, seinen zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben oder der Versicherte schon 6 Monate ununterbrochen infolge von Krankheit, Körperverletzung, Gebrechen oder Schwäche der geistigen oder körperlichen Kräfte, die ärztlich nachzuweisen sind außerstande gewesen ist, seinen zuletzt ausgeübten Beruf auszuüben.

Festgestellt habe das Gericht, dass der Vortrag des Klägers schon insoweit nicht hinreichend schlüssig sei, als dass unklar bleibe, wann konkret sich seine berufliche Tätigkeit durch die behauptete Gesundheitsbeeinträchtigung geändert hat, also wann und in welcher konkreten Ausgestaltung er seinen Beruf noch „in gesunden Tagen“ ausübte. Dies sei aber als Vergleichsmaßstab in zeitlicher Hinsicht zwingend erforderlich.

Bei der Feststellung, ob bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliegt, sei grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d. h. solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war. Da ein Versicherungsfall bedingungsgemäß erst mit dem Erreichen eines bestimmten Grades von Berufsunfähigkeit eintrete, sei die Heranziehung eines Vergleichszustandes für die Ermittlung des maßgeblichen Grades unerlässlich, so das Landgericht. Dieser Vergleichszustand könne grundsätzlich nur einheitlich gefunden werden und nicht davon abhängen, ob bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit sich langsam fortschreitend entwickelt habe oder zeitgleich mit einem plötzlichen Ereignis eingetreten sei. Maßgebend sei demnach grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung, so wie sie in noch gesunden Tagen ausgestaltet war, d.h. solange die Leistungsfähigkeit des Versicherten noch nicht beeinträchtigt war. Daher sei entscheidend, wie die Erwerbstätigkeit des Versicherungsnehmers konkret ausgestaltet war, als er unfähig wurde, sie so fortzusetzen, wie er sie in gesunden Tagen ausgeübt hat.

Hierzu habe der Kläger nur unzureichend vorgetragen. So gebe er zwar an, dass es sich bei der entwickelnden Höhenangst um einen schleichenden Prozess handelte und ein bestimmter Zeitpunkt des Berufsunfähigkeitseintritts schwer feststellbar sei. Nach insoweit wechselndem Vortrag habe sich der Versicherte in der mündlichen Verhandlung für den Beginn der Berufsunfähigkeit als solches auf November 2016 festgelegt. Damit sei jedoch noch nichts dazu ausgesagt, welcher Zeitpunkt für den Vergleichszustand seiner Berufsausübung in gesunden Tagen maßgeblich ist. Der Versicherungsnehmer habe es im Einzelnen gänzlich unterlassen vorzutragen, wie sich der “schleichende Prozess” vollzogen hat und ab wann konkret sich Auswirkungen auf seine Berufsausübung zeigten.

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