91 Gigatonnen sind nicht viel!
28.11.2023
Daniel Gerdelmann (apoprojekt) und Hannah Helmke (right° -based on science) im finanzwelt-Interview - Foto: © apoprojekt / right° -based on science / hakinmhan
finanzwelt: Wie hoch müsste das Emissionsbudget ausfallen, um der Paris-Konformität näherzukommen?
Helmke: Die Internationale Energieagentur arbeitet in ihren Modellen mit einem globalen Emissionsbudget. Das sind um die 460 Gigatonnen zwischen 2020 und 2050. Bricht man das auf Bestandsimmobilien herunter – also auf die Finanzimmobilien laut des Carbon-Risk-Real-Estate-Monitors – dann sind es 91 Gigatonnen für Bestandsimmobilien zwischen 2020 und 2050. Diese 91 Gigatonnen sind nicht viel. Die sind in fünf, sechs Jahren aufgebraucht. Deswegen ist es wenig. Die Internationale Energieagentur kam kürzlich zu dem Schluss, dass die Wirtschaft so umgebaut werden kann, dass man es noch einhalten kann. Aber es ist wirklich nicht mehr viel. Es wäre eine Höchstleistung die Wirtschaft entsprechend umzubauen, weil wir dazu so viel Veränderungen vorantreiben müssten, damit wir uns an diese Dringlichkeit anpassen können. Und für diese Höchstleistung müssen wir uns jetzt ausstatten.
finanzwelt: Eine abschließende Frage: Gibt es für Sie beide jeweils ein Umweltvorbild, wo Sie sagen, an diesem Land könnte sich Deutschland jetzt orientieren?
Gerdelmann: Meiner Meinung nach gibt es nicht das eine Land, wo ich sagen würde: Das ist das Land, an dem wir uns orientieren sollten. Ich finde, es gibt gute Vorbilder – sei es die Niederlande oder auch die nordischen Länder – wo man einfach merkt, dass da manche Gesetzgebungen einfacher, vielleicht auch ein bisschen pragmatischer gestaltet sind, sodass man mit weniger Hindernissen ins Machen kommt. Ich muss auch ehrlich sagen, dass Deutschland qualitativ hochwertig und langlebig baut. Das ist auch ein Riesen-Vorteil, den man nicht vergessen darf und der manchmal gegenüber dem angelsächsischen Bereich hervorsticht. Man muss das im Verhältnis sehen. Wir hängen ein bisschen zurück, aber das hat ganz viele regulatorische Gründe und da kann man die nordischen Länder sowie Niederlande ein Stück weit als Vorbild sehen. Was wir auch ganz klar merken bei den vielen Normierungen: Selbst, wenn man diese nicht gut findet, schafft sie eine Klarheit in den Zielen. Mit unserer Berechnungsmethode sind wir - was unsere Kompetenz für die Gebäudetransformation anbetrifft - sehr weit vorne.
Helmke: In Frankreich und England zeichnet es sich ab, dass sich der Stand der Dekarbonisierung einer Immobilie auf ihre Performance auswirkt. Das heißt, dass sich die Regulatorik und das politische Klima dort so entwickelt hat, dass man da sehr einfach einen internationalen Business Case rechnen kann. Diese Immobilien, die jetzt über die Regulatorik in Frankreich und England in Richtung Dekarbonisierung getrieben werden, heizen vielleicht einen Wettbewerb an, sodass die deutschen Immobilien –die noch nicht so doll getrieben werden – da vielleicht irgendwie einen Nachteil haben, was ja möglicherweise dann auch hier die Politik ankurbeln könnte. Das ist das, was wir brauchen! Dass man sagt: ist ja klar, dass wir in die Dekarbonisierung der Immobilien investieren, weil der Verlust an Performance teurer wäre. Und das ist in Deutschland so noch nicht zu beobachten – ist aber genau das, wo wir hinmüssen.
Vielen Dank für das Interview! (ml)