91 Gigatonnen sind nicht viel!

28.11.2023

Daniel Gerdelmann (apoprojekt) und Hannah Helmke (right° -based on science) im finanzwelt-Interview - Foto: © apoprojekt / right° -based on science / hakinmhan

finanzwelt: Frau Helmke, das 1,5 Grad-Ziel ist im Pariser Klima-Abkommen zwar festgelegt, aber die Umsetzung nicht. Welche Vision hat right°, um das Erreichen dieser Ziele aktiv und konkret zu beschleunigen?

Helmke: Die Vision ist es, diese Transformation zu beschleunigen, indem man die Komplexität der Umsetzung reduziert. Im Moment vergleicht man Äpfel mit Birnen. Klimaneutralität ist das Ziel, was politisch ausgerufen ist. Das übergreifende Ziel ist aber ein 1,5 Grad-Ziel. Heißt, ich messe meinen Fortschritt hin zu einem Ziel in einer anderen Einheit, als das Ziel ausgedrückt ist. Wie wenn ich Knoten auf dem Tacho hätte — wenn die Kilometer-Geschwindigkeitsbegrenzung in Stunden ist. So ist vorprogrammiert, dass dieser Weg hin zum Ziel nicht funktioniert, weil ich keine Zielrichtung habe. Ich glaube, das ist der große Beitrag, den wir von right° leisten können. Den Fortschritt hin zum Ziel in derselben Einheit auszudrücken wie das Ziel selbst. Beispiel: Meine Immobilie ist jetzt gerade 3 Grad-konform. Da fange ich an. Ich muss zu den 1,5 Grad und jede Maßnahme, die ich in der Immobilie umsetzen möchte, kann auf das Ziel einwirken. Eine Effizienzerhöhung erlaubt mir, von den 3 Grad schon mal auf 2,7 Grad zu kommen. Dann tausche ich die Heizung aus und komme schon mal auf 2 Grad. Ich setze noch auf Grünstrom um und komme so auf die 1,5 Grad. Durch diese Komplexitätsreduktion sind alle Menschen abgeholt, die notwendig sind, um diese Transformation auch hinzubekommen und die Maßnahmen nicht nur in der Theorie beschlossen, sondern auch in der Realität umgesetzt zu haben. Konfusion und Orientierungslosigkeit hält davon ab, in die Handlung zu kommen.

Helmke: Deswegen ist es hoffentlich ein eine große Erleichterung, wenn man messen kann:  Wo stehe ich? Was bringt mich wie nah an das Ziel? Welche Zusammenstellung von Maßnahmen ist auch genug, dass ich ans Ziel komme? Sodass es glaubwürdig ist und Leute sagen: Da schließe ich mich an!  Das brauchen wir jetzt für die Umsetzung. Wir haben Experten wie apoprojekt, die genau wissen, welche Technologie eingesetzt werden müssen und wie man kostenoptimiert arbeitet. Daran mangelt es nicht, sondern eher an der Sicherheit, die die Menschen brauchen.  

finanzwelt: Herr Gerdelmann, als ESG und Sustainability-Beauftragter des Unternehmens apoprojekt haben Sie eine Rolle, die aktueller nicht sein kann, wenn es um Klimaschutz geht. Die Nutzung der Software von right° ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber: Wie garantieren Sie weiterhin, dass die Wertschöpfungskette des Unternehmens ‚grün‘ bleibt?

Gerdelmann: Wir sind ein Dienstleister – das heißt unsere CO2 Emissionen als Unternehmen sind maximal gering, weil wir eben kein produzierendes Gewerbe sind. Es kommt bei uns auf den Fuhrpark, die Flugreisen und ein bisschen auf unsere Mietfläche an. Diese Mietfläche gehört nicht uns, sondern wir mieten sie. Das heißt, wir haben keinen Hebel und nur begrenzte Möglichkeiten, zu verändern. Wir haben gemeinsam mit right° unseren eigenen Fußabdruck bewerten lassen. Ich glaube, wir als apoprojekt haben eine gesellschaftliche Verantwortung, weil wir am Ende die Maßnahmen umsetzen. Wir haben immer noch die Möglichkeit, mitzugestalten, mitzuwirken und die Immobilientransformation voranzutreiben. Das heißt, vielleicht ein Stück weit besser zu bauen, als man es vorher getan hat. Bewusster zu bauen und nicht standardmäßig zu sagen: „Wir reißen alles raus und machen es neu!“, sondern mithilfe von intelligenten Dekarbonisierungs-Fahrplänen zu arbeiten, um dieses 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Jedes Unternehmen hat die Verantwortung, sich darüber im Klaren zu sein, welche Hebel es bedienen kann. Was kann ich denn gesellschaftlich dazu beitragen, dass diese Erde lebenswert bleibt? Für apoprojekt ist klar:  Die, die es umsetzen, haben einen großen Hebel und der liegt in der Transformation. Diesen transparent aufzuzeigen – wie komme ich denn zum 1,5 Grad Ziel – hier können wir unterstützen. Und das muss nicht von heute auf morgen sein, sondern es ist ein Weg, den man dahin beschreiten muss. Und bei dem Ganzen darf man auch die Wirtschaftlichkeit nicht vergessen. Das ist am Ende unser großer Vorteil. Wir wissen, was es kostet und wie man es umsetzen kann. Dann ist es ein Dreiklang mit dem richtigen Investment zur richtigen Zeit und mit der richtigen Technik das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen.

finanzwelt: Ein weiteres, sehr aktuelles Thema ist die Digitalisierung. Frau Helmke, im Forum Wirtschaft von phoenix beschrieben Sie die Digitalisierung als ein zweischneidiges Schwert, was zum einen die endlichen Ressourcen der Umwelt anbetrifft und zum anderen aber für eine moderne Arbeitswelt maßgeblich ist, um klimarelevante Informationen zu generieren. Vor allem, weil Deutschland mit der Digitalisierung so hinterherhinkt. Gibt es da eine goldene Mitte, um ausgewogen beide Ziele zu erreichen – Digitalisierung und Klimaschutz -- oder muss man hier sozusagen für das Klima in den sauren Apfel beißen?

Helmke: Ich glaube, es ist relativ einfach, die Digitalisierung mit grünen Energien voranzutreiben und sie dann für zukunftsfähige Geschäftsmodelle zu nutzen, um die Dinge effizienter zu machen und die Wertschöpfung auch von Emissionen entkoppeln. Es ist möglich, unternehmerische Modelle zu finden, welche Wertschöpfung generieren, dabei aber unabhängig sind von dem Verbrauch von Ressourcen. Das ist eine absolut klare Sache, die auch umsetzbar sein sollte.

finanzwelt: Sehen Sie da auch ein festes Zeitziel?

Helmke: Aus Perspektive der 1,5-Grad-Konformität ist es so, dass wir noch ein von der Klimawissenschaft berechnetes und verbleibendes Emissionsbudget haben. Also: wie viele Emissionen dürfen noch in die Atmosphäre gelangen, damit sich eben die Erde nur um maximal 1,5 Grad erwärmt? Dieses Emissionsbudget wird dann von Institutionen wie z.B. einer Internationalen Energieagentur mit eigenen Modellen aufgesplittet auf die einzelnen Sektoren, und zwar nach Modellen, die das kostenoptimiert darstellen. Daraus ergibt sich dann ein Stück des Kuchens für jeden einzelnen Sektor sowie auch ein Stück des Kuchens für die Unternehmen, die die Digitalisierung vorantreiben. An diesem Stück vom Kuchen kann man sich auch in diesem Sektor sehr schön orientieren, wie die Dekarbonisierung stattfinden muss, sodass sie im Einklang ist mit 1,5 Grad. Das Schöne ist, dass diese Fragen beantwortet sind – Es gibt fachliche Informationen, mit denen man arbeiten kann.

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