Zur Umsetzung der BGH-Entscheidung vom 27.04.2021¹

28.04.2022

Foto: © Joe Miletzki

Auswirkungen der Entscheidung für die Praxis

Die Entscheidung hat die Kreditwirtschaft hart getroffen, auch da sie unerwartet war. Zwar gilt im deutschen Recht nach wie vor der Grundsatz, dass Schweigen keine Willenserklärung darstellt. Für die Änderungen von sogenannten Zahlungsdiensterahmenverträgen gab es jedoch eine gesetzliche Ausnahmeregelung in § 675g Abs. 2 BGB, von welcher Banken und Sparkassen überwiegend aus rein praktischen Gründen in ihren AGB teils rege Gebrauch gemacht hatten. Ohne erheblichen technischen Mehraufwand waren die zahlreichen Vertragsänderungen, wie sie etwa bei massenweise Kontoverträgen stattfanden, oftmals nicht anders zu bewältigen. Der Umstand, dass eine solche fingierte Zustimmung nach höchstrichterlicher Auffassung nicht mehr als wirksam erteilt gilt, hat schlicht zur Folge, dass die von der Bank vorgeschlagene Vertragsänderung keine Gültigkeit hat. Von der Bank auf dieser Grundlage zu viel erhobene Entgelte, wie beispielsweise Kontoführungsgebühren, Entgelte für Kontoauszüge, Verwahrentgelte, Entgelte für Ein- und Auszahlungen oder für das Onlinebanking müssen an den Kunden zurückerstattet werden. Das Urteil des BGH könnte sich sogar auch auf weitere Branchen auswirken, wie etwa Strom- und Gaslieferanten oder Telekommunikationsanbieter. Betroffene Kreditinstitute hatten daher bereits im 2. Quartal 2021 erhebliche Rückstellungen gebildet. Ob die Kreditwirtschaft den Schaden künftig dadurch minimieren kann, dass sie die Zustimmungsfiktion nur für Nichtverbraucher in ihren AGB regelt, bleibt fraglich. Gute Gründe sprechen dafür, dass sich auch Nicht-Verbraucher (Unternehmen) auf diese BGH-Entscheidung berufen könnten. So hatte der BGH seine Rechtsprechung, welche das Bearbeitungsentgelt in Verbraucherdarlehensverträgen für unwirksam erklärt, wenige Jahre später auf unternehmerische Darlehensverträge übertragen³. Banken sollten daher überlegen, ob sie nicht besser an einer technischen Lösung arbeiten, die eine ausdrückliche Zustimmung bei allen Kunden einholt.

Fazit

Viele Verbraucherschutzverbände hatten kurzfristig reagiert und unterstützen Verbraucher mit Musterschreiben und Anleitungen zur Berechnung einer gegen das Kreditinstitut zu richtenden Forderung, die ggf. ohne gerichtliches Verfahren im Rahmen eines Ombudsmannverfahrens geltend gemacht werden könnte. Jedenfalls sollte jeder einen Blick auf seine Kontoauszüge werfen und bei einer zugrundeliegenden entsprechenden Regelung in den AGB abwägen, ob sich eine Inanspruchnahme seiner Bank lohnt. Höchstrichterlich noch nicht geklärt bleibt, ob von der Bank zu viel berechnete Entgelte im Zeitraum der Regelverjährung (mindestens drei Jahre) oder von zehn Jahren zurückgefordert werden können – für beide Auffassung sprechen gute Gründe. Kostenauslösende Maßnahmen sollten jedoch nicht ohne Rücksprache mit einem Anwalt eingeleitet werden.

¹BGH, Urteil vom 27.4.2021 XI ZR 26/20., ² https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Aufsichtsmitteilung/2021/ aufsichtsmitteilung_211026_Urteil_BGH_zu_AGB.html, ³ BGH, Urteil vom 4.7.2017 – XI ZR 562/15

Autor: Martin Kühler Rechtsanwalt TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH