Zehn Jahre kristallines Osmium
01.04.2023
finanzwelt: Sie haben ESG um ein M erweitert, was hat es damit auf sich?
Wolf» Wir sind der Meinung, dass nicht nur Ethical Sourcing, Social Responsibility und Corporate Governance auf der Messlatte liegen müssen, sondern auch die Beobachtung des entstehenden Marktes. Denn im Endeffekt geht es ja nicht nur um ethisches Material, sondern auch um ethische Preise und ethisches Angebot. Besonders bei Osmium gibt es große Unterschiede und die müssen auch aufwendig erklärt werden. Sonst verläuft sich der Sachanleger oder kann irregeführt werden. Wir haben aus diesem Grund auch immer wieder den Vertrieb geschult und auch tatsächlich Vertriebsverbote ausgesprochen, wenn mit Klinkenputzermentalität versucht wurde zu verkaufen.
finanzwelt: Können Sie diese Unterschiede der Preisfindung vielleicht genauer erklären?
Wolf» Ja, gerne. Erstens ist Rohosmium in keiner Weise gleich Rohosmium. Die Qualitäten sind unfassbar unterschiedlich und viele der Materialien auf dem Markt sind nicht zur Kristallisation geeignet. Zudem gibt es zwei Verfahren, um Osmium zu kristallisieren. Da wäre erstens eine einfache 3D-Kristallisation, die unkompliziert möglich ist und die auch nicht besonders viel kostet. Solche Kristalle sind schön für Sammler und sie haben damit durchaus ihre Berechtigung. Man kann sie bei Anbietern wie Alexander Wimmer in Österreich kaufen, der ordentliche Arbeit abliefert und Kristalle für Elementensammler herstellt. Wir sind in regem Austausch miteinander, da seine Kunden auch Nachzertifizierungen durch Osmium-Institute in Anspruch nehmen. Diese Kristalle besitzen durchaus ihren Wert und man kann sie ob ihrer Schönheit sammeln, aber sie sind nicht geeignet, um in Uhren und Schmuck als perfekte Oberflächen genutzt zu werden. Das zweite Verfahren bedarf ausgewachsener Hightech in der Kristallisation und in der Qualitätskontrolle in vier Stufen. Zudem sind viele Prozessschritte mehrfach zu durchlaufen und die Materialien, die zum Einsatz kommen, müssen immer wieder neu aufbereitet werden. Des Weiteren können einige Laborein richtungen nur einmal verwendet werden und müssen dann vollständig ausgetauscht werden. Das alles kostet viel mehr Geld als man im ersten Moment vermutet. Vor dem Hintergrund teurerer Rohstoffe auf allen Sektoren, in denen wir einkaufen, und sei es der Strom für die Öfen, vervielfachen sich wegen des Krieges in der Ukraine und wegen der unsicheren globalen Lage die Einkaufspreise. Das geht auch an uns nicht spurlos vorbei. Auch die Ausbauten in den Laboren zur Kristallzüchtung liegen weit im Millionenbereich. Denn nicht nur perfekte Arbeit muss abgeliefert werden, sondern es muss auch ein hohes Maß an Laborsicherheit entstehen. Diese bezieht sich dabei nicht nur auf die chemischen und physikalischen Prozesse, sondern auch ganz typisch auf Wertsicherung. Tatsächlich hat vor kurzem ein Journalist, der frei für das ‚Handelsblatt‘ arbeitet, versucht, sich Zugang zu der Scheideanstalt zu verschaffen. Wir verstehen natürlich die Neugierde, die dahintersteckt, aber auf der anderen Seite steht die Sicherheit der Mitarbeiter und Anlagen. Ab diesem Moment verstehen wir auch keinen Spaß mehr. Aber kurz zurück zu den Preisen: Das Hauptthema ist immer noch die Ernterate. Was aus dem Ofen kommt, kann nicht immer verwendet werden. Die Ernterate stellt das Verhältnis zwischen nutzbarer und nicht nutzbarer Ware dar. Die Zahl ist teilweise bei weit unter 20 %. Und damit haben wir zu kämpfen, denn die Vorgaben der verarbeitenden Industrie in Bezug auf die nötige Qualität legen die Messlatte hoch. So entstehen diese Preise. Leider ist das auch nicht unbedingt jedem Experten aus dem Edelmetallbusiness bewusst, da althergebrachtes Gedankengut hier nicht weiterhilft. Man muss sich mit den Prozessen und der Technik dahinter befassen. Dabei helfen wir natürlich gerne mit Beispielen, die auch in zwei Jahren in einem Osmium-Museum zu sehen sein werden. Sogar eine der seltenen Osram-Lampen mit Osmium-Filament wird hier zu sehen sein.
finanzwelt: Sie sagen „Preise“, nicht „Kurse“...
Wolf» Ja, denn Preise sind die Herstellerpreise und Nebenkosten im Geschäftsbetrieb, die bei der Herstellung und Vorbereitung von Waren zur Inverkehrbringung auflaufen. Diese Kosten sind bei der elektronischen Preisfindung auf einem Schweizer Server einbezogen. Es sind in Summe über 40 Komponenten, die berechnet werden und die sich täglich ändern. Kurse liegen zu Osmium nicht vor, da es nicht – oder, sagen wir noch nicht – an der Börse gehandelt wird. Die Vorstufe dieses Handels ist die von der OsmiSafe GmbH betriebene Plattform www.osmium-marketplace.com. Hier kann man als Privatkunde verkaufen und kaufen. Und da auch immer wieder jemand Osmium schnell verkaufen möchte oder muss, obwohl es klar ein Langzeitsachanlage-Edelmetall ist, kann man hier auch gerne mal ein paar Prozent sparen und trotzdem sicher sein, voll zertifiziertes und echtes kristallines Osmium zu erhalten. Das Ziel wäre wohl eine echte Börse. Um so etwas zu betreiben, wende ich mich gerne an Ihre Leser und die Family Offices, denn es musste ein Weg gefunden werden, um beliebige von standardisierten Größen unabhängige Werte lieferfähig zu machen. Das Problem einfach beschrieben: Sie kaufen einen Barren, der nicht genau zehn Gramm wiegt, sondern 10,054 Gramm, da die Kristallisation bekanntermaßen immer unterschiedlich ist. Wenn nun jemand genau ein Gramm erwerben möchte, geht das nicht. Hierfür müsste der Barren physisch geschnitten werden, um die Warenmengen anzupassen. Aber Schnitt kostet Geld und verursacht neue Zertifizierung. Aus diesem Grund würden die Nebenkosten der Transaktion an einer Börse stark steigen und die Lieferzeit würde ausufern. Das Problem ist nun gelöst, indem zehntausende kleine Barren geschnitten und zertifiziert wurden. Unter deren Nutzung können nun große Barren in mehrere kleine Barren und Squares kostenlos getauscht werden und damit die gewünschte Warenmenge sofort zur Auslieferung gebracht werden. Wenn nun also eine Börse aufgebaut werden soll, muss nur noch ein Partner gefunden werden, der diese Waren in einer Größenordnung von 50 Mio. Euro vorhält, um das neue Verfahren möglich zu machen. Der Partner würde sein Geld an den Gebühren als Broker verdienen, wie es auf jeder Börse üblich ist. Theoretisch muss die Ware dafür nicht einmal ein Zollfreilager verlassen, wenn man das Geschäft in dieser Art aufsetzen würde. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dieser Partner sich international oder national findet, denken wir.