Wird China zunächst alt werden, bevor es reich wird?
28.02.2023
Henk Grootveld, Head of Trends Investing bei Lombard Odier Investment Managers / Foto: © LOIM
Nach Angaben des chinesischen Statistikamtes stand China kurz davor, sich im Jahr 2021 als Land mit hohem Einkommen zu qualifizieren. Ende 2011 erreichte Chinas Bruttonationaleinkommen (BNE) pro Kopf erreichte 11.900 USD[1] - damit liegt das Land in Reichweite der von der Weltbank festgelegten Schwelle von 12.376 USD für Länder mit hohem Einkommen. Als einkommensschwach gelten Länder mit einem Pro-Kopf-BNE von weniger als 1.025 USD, während Länder mit mittlerem Einkommen zwischen diesen beiden Werten liegen.
- China steht vor einem demografischen Umbruch, da seine Bevölkerung in den kommenden Jahren voraussichtlich um die Hälfte schrumpfen wird.
- Das Land strebt hohe Einkommen an, so wie die Nachbarländer Südkorea und Japan. Um dies zu erreichen, muss das Land die Falle des mittleren Einkommens vermeiden.
- Der sich abzeichnende demografische Umbruch wird es China nicht leichter machen, denn es bedarf mehrerer wirtschaftlicher Veränderungen, um den Übergang von einer vom verarbeitenden Gewerbe dominierten zu einer konsumorientierten Wirtschaft zu schaffen und sich gleichzeitig auf den “grauen Tsunami“ vorzubereiten.
China will bis 2035 ein "mäßig entwickeltes Land" werden, mit einer Verdopplung des Pro-Kopf-BNE auf etwa 20.000 USD, wie in Chinas langfristigem Entwicklungsziel für 2035 dargelegt. Um dieses Ziel zu erreichen, muss China die so genannte "Mittlere Einkommensfalle" vermeiden, aber es muss dies auch ohne den günstigen demografischen Rückenwind tun, der die vergangenen vier Jahrzehnte geprägt hat. China kann sich nicht länger auf eine stark wachsende Erwerbsbevölkerung oder eine junge und ehrgeizige Bevölkerung verlassen, die den Bau der Weltfabrik vorangetrieben hat. Peking wird nun mit einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung und einer rasch alternden Bevölkerung zu kämpfen haben.
China steht ein demografischer Umbruch bevor. Nach den jüngsten demografischen Prognosen der Vereinten Nationen (UN) könnte die chinesische Bevölkerung von einem Höchststand von knapp 1,5 Milliarden bis zum Ende dieses Jahrhunderts auf 600 bis 800 Millionen schrumpfen. Ob diese 600 bis 800 Millionen erreicht werden, hängt von der künftigen Entwicklung der Fruchtbarkeitsrate in China ab.[2]
In gewisser Weise ist die rückläufige Fruchtbarkeitsrate in China völlig normal. Die Fruchtbarkeitsrate eines Landes sinkt, wenn es reicher wird. Das ist ein Zeichen für sozialen Erfolg, denn Frauen sind besser ausgebildet, haben mehr Karrieremöglichkeiten und weniger Kinder. Aber im Falle Chinas ist das ziemlich abnormal. Andere ostasiatische Länder sind erst reich geworden und haben dann einen Bevölkerungsrückgang erlebt.
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