Wenn Innovationen nicht ankommen

07.01.2020

Versicherungsbetriebswirt Ramesh Bhargava / Foto: © Ramesh Bhargava

Oberwasser erhielten die Autohersteller 2018 mit Inkrafttreten der eCall-Verordnung. Demnach müssen alle neu zugelassenen Fahrzeugmodelle ein automatisches Notrufsystem an Bord haben. Kommt es zu einem schweren Unfall, setzt das System automatisch einen 112-Notruf ab. Zusätzlich überträgt eCall Informationen zum genauen Unfallort, zur Anzahl der Insassen und zum Fahrzeug. Diese regulierungsrelevanten Schadendaten gehen allerdings an den involvierten  Versicherungsunternehmen vorbei.

Als Gegenmaßnahme auf diese unbefriedigende Situation brachte sich die Versicherungsbranche mit der Entwicklung einer eigenen Lösung in Stellung. Mit dem Unfallmeldedienst erhalten die Versicherer den direkten Zugriff auf die wertvollen Daten. Der erforderliche Unfallmeldestecker kann in nahezu jedem PKW installiert werden und ist auch nicht auf Neufahrzeuge beschränkt. Der Stecker muss lediglich in den Zigarettenanzünder gesteckt werden. Voraussetzung ist eine Verbindung zum Smartphone via App.

Rein praktisch bleibt das millionenschwere Projekt der Öffentlichkeit bis heute weitestgehend verborgen. Wie konnte es dazu kommen?

Der Gesamtverband verzichtete auf eine zentrale Vermarktung des neuen Dienstes. An den rund 20 Prozent preisorientierten Onlinekunden ist das Thema gänzlich vorbei gegangen. Die Branche setzte voll auf das Argumentationsgeschick ihrer klassischen Versicherungsvermittler. Das Ergebnis war ernüchternd. Insider meinen den Grund zu kennen: Die Vermittlerschafft hat die faktisch provisionsfreie Beratung abgelehnt. Die vermeintlich intuitiv bedienbare Technik des Unfallmeldedienstes ist in der eigentlich wenig beratungsintensiven Kfz-Sparte erklärungsbedürftiger als gedacht – und das in einem Geschäftszweig, der bei Provisionen von rund 25 Euro schlank laufen muss. Jede zusätzliche Beratung kann den Stundensatz schnell halbieren. Hinzu kommt der selten vorkommende Zufall, dass der geschulte Versicherungsverkäufer zugleich talentierter IT-Berater ist.

Gescheitert ist somit auch der Versuch, den Kunden an den getätigten Infrastrukturkosten, eine Investition der Versicherer in ihre zukünftige Kostenersparnisse, zu beteiligen.

Auch der nächste Ansatz, über telematische Versicherungsprodukte an den Herstellern vorbei Fahrzeugdaten mittels Box, Stecker oder App zu erhalten, hat bislang keinen nennenswerten Durchbruch erzielt.

In welchen anderen Sparten die Versicherungsbranche nach wie vor Nachholbedarf hat, lesen Sie auf Seite 3

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