Wenn die Inflation mit aller Macht zuschlägt
23.08.2017
Guido vom Schemm, Geschäftsführer GVS Financial Solutions GmbH / Foto: © GVS
Für Draghi wird die schwache Inflation so langsam zu einem ernsthaften Problem: Sein wichtigstes Mittel, die Anleihekäufe, wirken nicht so, wie sie wirken sollen. Jeden Monat pumpt die EZB 60 Milliarden Euro in den Markt. Eigentlich müssten dadurch die Preise längst stärker steigen. Durch die Geldspritze der Zentralbank wird der Zins künstlich niedrig gehalten, um Unternehmen mehr Spielraum und eine höhere Wettbewerbsfähigkeit zu bieten. Banken sollen das frische Geld schließlich nutzen, um mehr Kredite an Unternehmen und Privatleute zu vergeben, die dadurch den Konsum bzw. Investitionen fördern. Die höhere Nachfrage würde dann automatisch die Preise steigen lassen. Soweit die Theorie. Trotzdem verharrt die Inflation in der Realität bei 1,3 Prozent.
Damit die Unternehmen die Preise erhöhen können, müsse die Kaufkraft der Verbraucher steigen. Dies erfordert höhere Löhne, welche aber bei der hohen Arbeitslosigkeit in vielen europäischen Ländern sowie der stetig steigenden Zahl an Niedriglohnjobs nicht in Sicht sind. Rund 20 Prozent der Beschäftigten in Deutschland arbeiten nach Angaben des Arbeitsministeriums für einen Niedriglohn von unter zehn Euro pro Stunde. In Ostdeutschland liege ihr Anteil sogar bei 30 Prozent. Diese Menschen haben andere Sorgen als den Konsum anzutreiben. Ein wichtiger Grund für die Probleme am Arbeitsmarkt ist die Automation. Der Einsatz von Robotern und die weitere Digitalisierung der Wirtschaft werden den Arbeitsmarkt weiterhin gewaltig durcheinanderrütteln. Fünf Millionen Arbeitsplätze sollen in den nächsten fünf Jahren in den Industrieländern wegfallen. Somit bleiben eben vermehrt hoch spezialisierte Jobs oder eben die oben beschriebenen Niedriglohnjobs übrig. Doch beide Zielgruppen leisten sich dadurch beispielsweise keine zusätzlichen Autos. Der Effekt verpufft.
Derzeit liegt die Inflationsrate wie oben beschreiben unter der EZB-Zielmarke von zwei Prozent, eine Hyperinflation ist daher erstmal vom Tisch. Aber die massive Geldmengenausweitung der Europäischen Zentralbank schürt die Sorgen vor einer deutlichen Abwertung des Euro - und damit realen Wertverlusten für Sparer und Anleger. Seit der Einführung des Euros im Jahre 2002 hat der Euro knapp 25 Prozent an Kaufkraft verloren. Pro Jahr entspricht das einer Verteuerung von gerade einmal 1,4 Prozent. Insgesamt liegt die durchschnittliche jährliche Inflation in Deutschland seit 1950 bei 2,4 Prozent pro Jahr. Klingt nicht besorgniserregend. Bei genauerer Betrachtung stellt man allerdings fest, dass die Kaufkraft über lange Zeiträume schmilzt wie das Eis in der Sommersonne.
Spätestens wenn die Konjunktur anzieht, werden die Banken wieder mehr Kredite vergeben und damit zusätzliches Geld in Umlauf bringen. Dann wird sich zeigen, ob die EZB ihnen das Zentralbankgeld, das die Banken für die Kreditvergabe benötigen, rechtzeitig entzieht, um eine hohe Inflation zu verhindern. Ein Schelm wer Böses denkt.
Nimmt die Geldentwertung einmal Fahrt auf, ist diese nicht so leicht zu kontrollieren. Das Zitat des ehemaligen Bundesbankpräsidenten Karl Otto Pöhl erklärt das Phänomen sehr bildlich: „ Inflation ist wie Zahnpasta. Wenn sie erst mal raus ist, kriegt man sie kaum mehr rein“. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass Anleger ihren Anteil an Geldwerten wie Tagesgeldkonten und Lebensversicherungen reduzieren und verstärkt in Sachwerte wie Aktien, Immobilien und Gold umschichten, um ihre Kaufkraft nachhaltig zu schützen. Dabei ist aber der Kaufmannsspruch „im Einkauf liegt der Gewinn“ stets einzuhalten.
Kolumne von Guido vom Schemm, Geschäftsführer GVS Financial Solutions