Warten auf den Durchbruch
12.12.2019
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Was für tausende handfeste Gegenstände seit Jahrzehnten normal ist, gibt es nun auch in der Finanzanalyse: Eine Norm, konkret die DIN 77230. Bis diese sich allerdings auf dem Markt endgültig durchsetzt, dürfte noch viel Wasser den Rhein runter fließen. Ein Experte sieht dafür bei der Politik eine Mitschuld.
Die Entstehung der DIN-Normen hängt eng mit Deutschlands militärischer Lage am Ende des Ersten Weltkrieges zusammen: Aufgrund der Rationalisierung der Rüstungsproduktion im Jahr 1917 wuchs die Erkenntnis, dass die gesamte deutsche Industrie für die Streitkräfte produzieren muss. Um das zu gewährleisten, waren grundlegende Normen, insbesondere zur Zusammenarbeit im Maschinenbau, notwendig. Dies führte schließlich zur Gründung des Deutschen Instituts für Normung, das am 1. März 1918 mit der DIN 1, Maße und Werkstoffe für Kegelstifte festlegte. Heute, über 100 Jahre später, gibt es über 34.000 Normen – und seit Anfang des Jahres auch eine für die Finanzanalyse von Privathaushalten: die DIN 77230. Friedel Rohde sieht bei dieser revolutionäre Möglichkeiten. „Die DIN 77230 hat das Potenzial, die Versicherungs- und Finanzberatung spürbar zu verändern. Sie setzt Standards und schafft reproduzierbare Analyseergebnisse. Damit unterstützt sie die Abkehr vom Produktverkauf hin zur bedarfsgerechten Beratung“, erläutert der Projektkoordinator des Arbeitskreises Beratungsprozesse. Inwieweit sich dieses Potenzial bereits entfaltet hat, ist laut Dr. Klaus Möller noch nicht zu sagen. „Die Norm ist gerade mal ein Dreivierteljahr alt. Da ist die Frage, ob sie die Finanzberatung bereits verändert hat, verfrüht. Sicher ist, dass sie viel Aufmerksamkeit erregt und eine neue Komponente in die Qualitätsdiskussion eingeführt hat: nicht durch Vergütung und nicht (nur) durch Qualifikation, sondern durch Prozesse, also durch Tun“, so der Vorstand des DEFINO Instituts für Finanznorm. Vor allem im Qualitätsaspekt sieht Rohde einen wesentlichen Vorteil, den die Norm so manchem Akteur der Finanzbranche bietet. „Gerade Vertriebswegen, die sich bislang nicht durch Beratungsqualität ausgezeichnet haben, bietet sie ein Sicherungsnetz.“