Warten auf Berlin

13.07.2015

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Es war einmal eine Erfolgsgeschichte – obwohl es seit Beginn an allen Ecken und Enden hakte. Intransparenz warfen und werfen Kritiker dem Riester-Modell vor, es lohne sich vor allem wegen der hohen Gebühren für kaum jemanden.

Dabei dürften die wirklichen Probleme an ganz anderer Stelle liegen. Deshalb hofft vor allem der Vertrieb, dass die Politik endlich dringend notwendige Korrekturen vornimmt.

Walter Riester, unter Bundeskanzler Gerhard Schröder Arbeitsminister in Berlin, hatte sich vor 14 Jahren denkbar weit aus dem Fenster gelehnt. Anlässlich der Bundestags-Debatte um die Rentenreform kanzelte er Kritiker ab: Es handele sich um die „größte Sozialreform der Nachkriegszeit“. Die damit einhergehenden Rentenkürzungen die die Deutschen in den kommenden Jahren noch arg beuteln werden, sind sattsam bekannt. Ebenso die auch im Paket enthaltene und nach dem SPD-Politiker benannte Riester-Rente, die mit der Reform verbundene Leistungseinschnitte an anderer Stelle – mit privaten Sparbeiträgen und steuerlicher Förderung – wettmachen sollte.

Der „Riester-Verkauf“ lief jahrelang wie geschmiert, doch in der letzten Zeit ist er mächtig ins Stocken geraten.

Seit etwa fünf Jahren tritt der Bestand der Anbieter nahezu marktweit auf der Stelle. Theoretisch sind rund 34 Mio. Bundesbürger förderberechtigt, nicht mal die Hälfte davon hat bislang eine Police abgeschlossen. Und nur rund 6,4 Mio. Sparer bedienen ihre Verträge mit derart hohen Eigenbeiträgen, dass sie Anspruch auf die mögliche Höchstförderung haben. Ohnehin ebbt die Kritik nicht ab, dass Riestern zu kompliziert und zu teuer sei.

Die Niedrigzinsphase, die nun schon seit Jahren andauert, tut ihr Übriges. Erste Anbieter haben sich vor diesem Hintergrund bereits aus dem Markt zurückgezogen, so etwa Swiss Life. Gert Wagner, Bereichsleiter Produktmanagement Swiss Life Deutschland, nennt dafür handfeste Gründe: „Die Schließung von Swiss Life Champion Riester ist ausschließlich durch die besondere Situation im Markt für Riester-Produkte begründet. Riester-Produkte verursachen aufgrund der Zulagenverwaltung und der im Durchschnitt geringen Vertragsgrößen einen deutlich höheren Verwaltungsaufwand als alle anderen Altersvorsorgeprodukte.“ Es sei nicht absehbar, dass sich dies ändern werde, vielmehr werde sich der Verwaltungsaufwand bei der Riester-Rente voraussichtlich sogar deutlich erhöhen – und zwar durch die zusätzliche Regulierung, die nun im Rahmen des vor nicht allzu langer Zeit verabschiedeten Altersvorsorgeverbesserungsgesetzes erfolgt sei. Und diese für den rentablen Betrieb eines Riester-Produkts ohnehin ungünstigen Rahmenbedingungen werden durch die Tatsache, dass der Markt sich bei versicherungsförmigen Riester-Produkten zunehmend rückläufig entwickelt, nicht verbessert – vielmehr ist das Gegenteil der Fall. So sagt Wagner: „Der Aufwand, der für den weiteren Betrieb von Swiss Life Champion Riester notwendig wäre, steht aus genau diesen Gründen in keiner angemessenen Relation zu den unsicheren Rahmenbedingungen, die man derzeit im Riester-Markt vorfindet.“ Daher sehe man es nicht als sinnvoll an, hier weitere Investitionen zu tätigen. Stattdessen habe man sich dafür entschieden, ein Riester-Produkt über einen Kooperationspartner anzubieten. Ansonsten bleibe Swiss Life jedoch in allen anderen Förderschichten vertreten. Auch Andreas Fabry, Vorstand Vertrieb und Marketing der Hannoverschen, spricht Klartext: „Fest steht, dass immer noch viel zu wenig Menschen riestern. Möglicherweise verunsichert potenzielle Kunden auch die oft unangemessene Kritik an Riester. Allerdings haben auch Anbieter manchmal zu komplexe und/oder zu teure Produkte im Angebot, was deren Attraktivität nicht fördert.“ Kunden sollten sich deshalb für einfache und möglichst unkomplizierte Angebote entscheiden. Dann kämen die Riester-Vorteile voll zum Tragen. Denn eines steht für ihn außer Zweifel: „Die Riester-Rente ist eine sinnvolle und lohnenswerte Ergänzung zur gesetzlichen Rente. Gerade durch die staatlichen Zulagen und die steuerliche Förderung lassen sich auch in der momentanen Niedrigzinsphase noch attraktive Renditen erwirtschaften.“ Dies gilt vor allem, wenn die Anlage nicht im Deckungsstock, sondern über indexgebundene Produkte geschieht. Beobachter weisen allerdings immer weniger darauf hin, dass die bAV für die breite Masse der Arbeitnehmer die bessere Alternative sei. Doch vom GDV ist zu hören: „Mit betrieblicher Altersversorgung können nicht alle Bevölkerungsgruppen erreicht werden. Gerade für Menschen mit häufig wechselnden Beschäftigungsverhältnissen ist die Riester-Rente die bessere Alternative. Für Geringverdiener ist sie aufgrund der Zulagenförderung ohnehin die erste Wahl.“ Allerdings ist die staatliche Förderung im Verhältnis zum Eigenanteil der Sparer bei der Riester-Rente seit 2002 um fast 25 % gesunken.

Es besteht Handlungsbedarf bei Riester, da sind sich alle Experten einig.

Und immer wieder kommt die Rede dabei auf steuerliche Aspekte. So erklärt Nicolai Engel, Leiter Produktmanagement bei der Gothaer Leben: „Die Signale sind hier sehr unterschiedlich. Es ist aus unserer Sicht auf jeden Fall sinnvoll, die Altersvorsorge der Bürger steuerlich deutlich zu fördern. Eine steuerliche Flankierung sollte immer zeitgemäß und immer ausgewogen über alle Formen der Altersvorsorge gestaltet sein, um dem Ziel einer starken zweiten und dritten Säule gerecht zu werden.“ Und Peter Schwark, Mitglied der GDV-Hauptgeschäftsführung, sagt: „Wir brauchen dringend einen Abbau der kalten Progression bei Riester. Millionen Riester-Sparer würden davon profitieren, wenn ihre Riester-Rente wieder in dem prozentualen Umfang gefördert würde wie bei ihrer Einführung vor dreizehn Jahren.“ Der wohl entscheidende Knackpunkt findet sich in den Veröffentlichungen der Deutschen Rentenversicherung: „In der Auszahlungsphase zählt die Riester-Rente – wie jede andere Rentenleistung auch – zum (auf die Grundsicherung, Anm. d. Red.) anrechenbaren Einkommen.“ (hwt)

Printausgabe 04/2015